Der Cem, seine Tochter und der Merz

Es ist die Metaebene. Zwischen den Zeilen steckt oft mehr als in ihnen.

Es ist immer noch die Woche nach den Wahlen, Zeit der Analysen und Weichenstellungen für die Bundestagswahl. Vieles schrieb ich schon hier.

Doch was aktuell in der Diskussion hoch hergeht, ist der Gastbeitrag von Cem Özdemir in der FAZ. Jeder, der meine Analyse dazu nachvollziehen mag, der sollte zunächst vollständig seinen, jetzt ohne Paywall verfügbaren, Gastbeitrag lesen.

Demokratie lebt vom Diskurs

Jeder, der sich vor einer Wahl für eine Partei entscheiden soll und zum Beispiel den Wahl-o-mat bemüht, steht vor einem Problem: es ist fast unmöglich, dass eine der Angebote zu 100% mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmt. Genauso geht es all den Menschen, die sich glücklicherweise dafür entscheiden, politisch aktiv zu werden. Und so lebt der Wähler und der politisch Aktive immer mit einem Kompromiss. Und so ist es auch überhaupt nicht verwunderlich, dass es innerhalb einer Partei dann bei einigen Themen sehr schnell geht, sich zu einigen. Bei anderen Themen gibt es grundsätzlich Konfliktpotential.

Eines der Themen, welches gerade am meisten polarisiert, ist das Thema Migration. Grundsätzlich gibt es angesichts der Erfolge der AfD und der Wichtigkeit des Themas bei den Bürgern, in welcher Korrelation die auch immer zueinander stehen, das größte Potential für Konflikte. Gehen wir mal durch die zwei Parteien, die für meine Analyse entscheidend sein werden.

CDU

Bei der CDU wurde das ganze entschieden. Es gab die Ära Merkel, es gab den Spruch „wir schaffen das“ und es gab den Abgang von Angela Merkel. Der als Nachfolger des Weges positionierte Kanzlerkandidat Armin Laschet scheiterte. Ob es am falsch platzierten Lachen lag oder am Programm, man weiß es nicht. Es ist aber normal in einer Partei, die sehr breit aufgestellt in den Themen, solche Niederlagen gerne auch auf die Positionierung eines Teils der Programmatik geschoben wird.

Fakt ist, dass mit der Kombination Merz und Linnemann jetzt zwei Männer in den entscheidenden Positionen sind, die sehr bewusst mit der Ära Merkel brechen und ihr Heil darin suchen, beim Thema Migration sehr viele Restriktionen zu fordern. Dass hier teilweise eine grenzwertige Rhetorik an den Tag gelegt wird, ärgerlich, verwerflich, aber geschenkt, denn am Ende bewegt man sich immer im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen. So weh das einem tut.

Verfolgt man nun das Vorgehen, so schlägt Merz stetig verbal auf die Grünen ein. Nicht auf die FDP, mit der man schon Regierungen gebildet hat, nicht auf die SPD, mit der man große Koalitionen bildete. Auf die Grünen, mit der man bundespolitisch noch nie etwas gestartet hat.

Davon kann man halten, was man will. Im Endeffekt hat die Ampel beständig in den Umfragen verloren. Die FDP wird aktuell kein Teil des neuen Bundestages sein. SPD als Juniorpartner funktioniert irgendwie. Die Grünen hat man jetzt jahrelang wie ein Schnitzel weichgeklopft.

Und nun, wo sie „weich“ sind, öffnet man den Spalt ein wenig, eine Koalition ist nicht mehr per se ausgeschlossen, sondern nur noch „derzeit“.

Die Grünen

Ich habe ja schon einiges über die Reaktionen der Grünen geschrieben.

Und jetzt kommt der Text von Cem Özdemir. Cem ist eine Instanz bei den Grünen. Es würde schwer werden, irgendwas an Cem zu finden, was so richtig doof ist. Cem hat seine Wahlkampftour Cem-Trails genannt. Cem ist der erste, der das bisherige Handeln öffentlich hinterfragt hat. Cem ist ein absoluter Gewinn für die Grünen.

Nach seinem Text wird ihm vieles unterstellt, rassistisch, sexistisch und kartoffelig. Die Diskussion ist dermaßen aufgeladen, das hier oftmals über das Ziel hinaus geschossen wird. Ich sehe nichts davon bei ihm.

Aber ich sehe, dass er hier 2 Punkte setzen will

Cem ist Vater

Das größte Problem der Grünen ist zur Zeit die Jugend. Die grüne Jugend die mit dem Parteikurs nicht zufrieden ist und austritt. Die jungen Wähler, die statt grün die AfD wählen. Die Jugend die sich nicht gehört fühlt. Wie cool eigentlich, dass dann ein Politiker dann sehr ehrlich über die Gespräche mit seiner Tochter berichtet.

Seien wir sehr ehrlich. Solingen und der siebente Oktober waren eine Zäsur. Auf der einen Seite, Solingen, haben wir einen islamistischen Anschlag. Monate vorher, der siebente Oktober, hatten wir einen antisemitischen Terroranschlag, der auch in vielen Orten außerhalb Palästina gefeiert wurde.

Es ist fast schon ausgeschlossen, dass irgendjemand in der Familie, auf Arbeit oder im Sportverein oder wo auch immer, sich diesen Diskussion entziehen konnte. Und so auch dort, wo Jugendliche miteinander reden. Und das ist bei weitem nicht nur TikTok.

Auch wenn ich den Eindruck habe, dass Solingen auch eine Art Korkenöffner war, wo sich plötzlich zahlreiche Leute äußerten, die sonst unter der irgendeiner Prämisse „das darf man nicht sagen, da halten mich die Leute für rechts“. Vielleicht war das ja auch, zumindest für den Diskurs, ein reinigendes Gewitter. Denn vieles, war einfach nur das, was man erlebt hat. Da gibt es keine Wertung.

Das Signal, dass Cem mit seiner Tochter spricht und sich mit den Erfahrungen seiner Tochter und der seiner Freundinnen auseinandersetzt, ist ehrlich. Es ist authentisch. Es bricht mit der Erzählung, dass die Grünen alles nur erklären wollen. Dass sie der Jugend bei solchen Berichten eine TikTok-gebräunte Scheinrealität unterstellen und mehr Medienbildung fordern. Er hört zu und zeigt Empathie. Er macht sich Sorgen, wie seine Tochter und deren Freundin.

Cems Bericht über das Gespräch mit seiner Tochter bricht mit der Erzählung, dass die Grünen der Jugend bei solchen Berichten eine TikTok-gebräunte Scheinrealität unterstellen und ständig alles erklären wollen.

Baden-Württemberg

Jetzt aber zu BW. Ich glaube das Cem hier ganz bewusst nicht sagt, dass Deutschland seine Heimat ist, um auf etwas hinzuweisen. Baden-Württemberg hat den ersten, einzigen und wohl auch vorerst letzten Ministerpräsidenten der Grünen, Winfried Kretschmann. Und der regiert dort mit der CDU, die sogenannte Kiwi. Das kriegt man nur selten mit, denn der Herr Kretschmann ist kein Dampfplauderer. Keiner der draufhaut. Einen großen Teil der Bekanntheit außerhalb BW errang er durch den „Waschlappen“

Auch in BW gibt es Migration und es gibt Regeln für diese. Und die sind dort teilweise härter als anderswo. Es gibt einen „Sonderstab Gefährliche Ausländer“ und die priorisierte Abschiebung kriminell Gewordener.

Zudem brachten sie zusammen mit dem schwarzgrünen Nordrhein-Westfalen und dem schwarzgrünen Schleswig Holstein einen Antrag mit dem Titel „Ordnung, Steuerung, Begrenzung und Humanität in der Migrationspolitik sicherstellen“ in den Bundesrat ein. Wer sich selbst ein Bild machen will, im März diesen Jahres gab es den Brandbrief von Ludwigsburg.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/kretschmann-fluechtlinge-aufnahme-migration-100.html

Der grüne Ministerpräsident klingt so gar nicht nach den jungen Grünen, die noch am Anfang des Jahres bei den Demos gegen Rechts skandierten „kein Mensch ist illegal“. Nicht nach Ricarda Lang, deren Herz der sozialen Gerechtigkeit gehört. Kretschmann ist altmodisch, bedächtig und konservativ.

Und das es einen Teil bei den Grünen gibt, der ebenso denkt, das möchte Cem hier Richtung Friedrich Merz senden.

Wochenrückblick 39/2024

Alles, was in der Woche wichtig war, aber für keinen eigenen Beitrag reichte.

24.09.2024

Deutschland-Ticket wird teurer

Der Preis für das Deutschlandticket steigt von 49€ auf 58€. Für manche eine dreiste Verteuerung. Ich sehe das jetzt eher gelassen, weil der Erfolg doch hinter den Erwartung zurück blieb und zusätzlich das Jahr 2024 ein verlorenes Jahr für Bahn und ÖPNV war. Einige Förderprojekte für Flex- oder Rufbusse laufen dieses Jahr aus, Investitionen in das Bahnnetz blieben aus. Deutschland hat bei dem Thema einfach ein unglückliches Händchen, was die Verkehrsminister angeht. So bleibt der Skandal eben nicht, dass die der Preis erhöht, sondern, dass es für mehr Geld (noch) weniger Leistung gibt.

SPD Basis gegen Rechtsruck der SPD

Den Regierungskurs des Kanzlers kritisiere ich ja schon eine Weile. Aber auch in der Partei SPD selbst regt sich Widerstand. In Sachsen brach mit Irena Rudolph-Kokot ein bekanntes Gesicht in Leipzig noch im Wahlkampf zur Landtagswahl mit der Partei. Nun wurde das Grummeln an der Basis noch einmal lauter. Zu den aktuell 10.000 Unterschriften gehören auch 5 Abgeordnete des Bundestages. Es wird langsam eng für Saskia Esken und Scholz


Habeck will co2 Grenzen verschieben

Habeck knickt vor der Autoindustrie ein. Als Wirtschaftsminister. Als Klimaminister lässt er gerade alle sprachlos zurück. Tadzio ordnet das sehr prägnant ein.

25.09.2024

Jessi im Piratenpodcast Dresden

Jessica Roitzsch, die es für Volt in den Dresdener Stadtrat geschafft hat und Anne Herpertz von den Piraten reden über die ersten Wochen im Stadtrat Dresden. Über die Carolabrücke, die es ja ganz groß in die Nachrichten geschafft hat und über männliche Störgeräusche.

27.09.2024

Bürgerräte als Rettung der Demokratie?

Wer gerne mehr über Bürgerräte, deren Akzeptanz und deren Outcomes erfahren möchte, dem sei diese Folge der Systemfragen empfohlen.

Persönlich finde ich die Sache ohne Verbindlichkeit unnötig. Wir hatten einen Bürgerrat Ernährung, auf den in der Folge auch mehrmals eingegangen wird. Was kam raus? Alle Vorschläge, die Geld kosten wurden nicht umgesetzt. Macht natürlich total Sinn.

28.09.2024

Ich war mal wieder unterwegs, dieses mal beim sächsischen Landeserntedankfest in Mittweida.

29.09.2024

Kommt das AfD-Verbot?

Der Antrag, als der erste Schritt Richtung AFD-Verbot ist näher, als jemals zuvor. Eine parteiübergreifende Gruppe hat nun einen Antrag eingebracht. Dadurch werden Fakten geschaffen. Gut so!

Die Woche nach den Wahlen

Es ist Teil der Verdrängungsgesellschaft, dass man Sachen kleinredet. Die Wahlen im Osten zum Beispiel. Hach wie klein sind doch diese Bundesländer, wie niedlich unbedeutend, wie politisch und wirtschaftlich irrelevant. Und das Leben im Westen ist so wunderbar unbeschwerlich, so lange der Rasen „da drüben“ noch brauner ist. Dass es in Baden-Württemberg 16%, Hessen 18% und in Niedersachsen mittlerweile 21% der Wähler sind, welche AfD wählen würden, das wird dann ganz gerne ignoriert. Solche Zahlen hatten die Ostländer auch mal, ist halt schon ein bisschen her.

Und die Wahlen sind dann doch bedeutsam, es sind die letzten Wahlen in Flächenländern vor der Bundestagswahl 2025 und können als Vorhersage gelten, welche Partei denn nun ein Momentum aufbauen kann und welche eher auf dem absteigenden Ast scheint. Wie bedeutsam diese Wahlen sind, zeigt sich in der Vielzahl der parteipolitischen Entscheidungen in dieser Woche, die auch eine Reaktion auf ebenjene sind.

Über die Grünen, bei denen bei weitem am meisten los war und die Nervosität am größten ist, schrieb ich schon hier.

Auch bei der SPD rumort es gewaltig. War doch die Wahl in Brandenburg vom Störgeräusch begleitet, dass man auf die Unterstützung von Olaf Scholz verzichtet und sich wünsche, dass Esken keine Interviews mehr gibt. Abkehr vom Kanzler als Erfolgsrezept? In der Tat wackelt der Stuhl von Esken gerade sehr. Und auch der Kanzler schwankt. Auf den Offenen Brief einiger Mitglieder reagierte er flapsig. Die Kritik sah er als Bestätigung seines Kurses. Boris Pistorius wirft gerade einen Schatten, in den Scholz mehrmals reinpasst.

Nichts gelernt hat wie immer die FDP. Zweimal unter einem Prozent und damit raus aus der Parteienfinanzierung bei den Ostwahlen. Und der Landesverband, der es schaffte, also die Parteienfinanzierung, nicht die Fünfprozenthürde, bei weitem nicht, ist der Verband in Thüringen. Der brach wegen der Causa Kemmerich mit dem Bundesverband. So wie bei den Grünen die Worthülse „besser erklären“ auftaucht, macht die FDP halt wieder einen auf dicke Hose und man will „erkennbarer“ in der Ampel sein. Der Witz geht erst mit dem Faktum zu Ende, dass immerhin 40% der FDP-Wähler vorgezogene Bundestagswalen bevorzugen würden und damit den Weg in die außerparlamentarische Opposition, wohl dann ohne Lindner und Kubicki.

Währen das BSW erwartungsgemäß bis nach der Brandenburg-Wahl gewartet hat, um sich auch nur annähernd inhaltlich und politisch in die Karten schauen zu lassen, so haben sich sowohl Coronaschwurbler und EU-Mandatsträger Pürner sowie Co-Chefin Mohamed Ali eher positiv für eine Zusammenarbeit mit der AfD geäußert. Die wohlverdiente Kröte der CDU, die sie schlucken muss. Erstaunlich, dass die SPD das schon fast teilnahmslos über sich ergehen lässt.

Dann kommen wir zum Elefanten im Raum, der AfD. Die AfD hat Erfolge im Osten erzielt und ist gerade voll im Momentum. In Thüringen und Brandenburg mit Sperrminorität. In Sachsen mit indirekter Sperrminorität, nach dem sich der Freie Wähler-Kandidat Matthias Berger nun doch entschieden hat, sein Mandat anzunehmen. Da schrieb ich auch drüber

Zudem wurde eine Kanzlerkandidatin bekannt zugeben. Alice Weidel, weiblich, queer(obwohl sie das selbst nicht so sieht), mit migrantischer Partnerin und in der Schweiz lebend. Das perfekte Feigenblatt.

Und dann reden wir über die Geschehnisse in Thüringen bei der ersten Sitzung für eine Farce gesorgt haben. Ich will jetzt gar nicht über irgendwelche juristischen Details reden. Wichtig sind für mich nur 3 Sachen.

  • Es gab Experten die vor genau dieser Situation gewarnt haben.
  • Die AfD hat durch Austausch des Direktkandidaten(in Sonneberg) diese Situation heraufbeschworen
  • Die CDU hat das Theater zugelassen

    Reden wir zuerst und das ist das eigentlich wichtigste, über die Rolle der CDU. Die CDU hätte es verhindern können. Hat sie aber nicht. In einer Reihe wirklich abstruser Ideen, angefangen beim Stimmen MIT der AfD bezüglich eines Genderverbotes, über das TV-Duell mit Höcke, hin zum Zucker oder Salz Wahlkampf. In dieser Reihe kann man die Entscheidung, nicht für den damaligen Antrag von Grünen/Linken zu stimmen gar nicht so richtig am Grad der Abstrusität einordnen.

Die Vorlage nutzte die AfD sehr bewusst. Die Vorlage der CDU wohlgemerkt.

Ich nehme das Urteil mal vorweg, die Interpretation der AfD war natürlich Quatsch. Aber, und das ist das wichtige daran, die Entscheidung, ob das Vorgehen nun juristisch korrekt ist oder nicht, fällt ein Verfassungsgericht.
Die selbe Instanz also, die über die Einordnung in „rechtsextremistische Verdachtsfälle“ entscheidet. Die selbe Instanz, deren politische Unabhängigkeit seit Jahren von der AfD in Frage gestellt wird. Dem Interesse der AfD, staatliche Institutionen, vor allem die Justiz in Frage zustellen, nützt dies mehr, als dem Interesse der Demokratie. Aber vielleicht es das auch das Ego eines Mario Voigt, was das eigentliche Problem ist.

Und dann kommen wir wieder zur SPD. Das erste Mal, dass die sächsische SPD über ein Parteiverbot nachdachte, das war der Tag als eine Umfrage erschien, wo die SPD unter der Fünfprozenthürde landete. Und diese Koinzidenz macht es natürlich schwierig, die staatsmännische Aufgabe, das Land vor Schaden zu schützen, von Eigeninteresse zu trennen.

Das jenes Vorgehen, was da in Thüringen bei der ersten Sitzung passierte, unwürdig war für die Politik, ist für mich unstrittig. Das zu diesem Zeitpunkt der aktuelle Innenminister Thüringens sich zum AFD-Verbot bekennt, hat ein Geschmäckle. Ich bin absolut dafür, dass sich ein Gericht damit befassen sollte, ob jedwede Partei der Verfassung treu ist. Ich habe da lange gebraucht zu dieser Position zu kommen. Denn das schlimmste was passieren könnte, wäre wenn ein Gericht feststellt, dass das, was die AFD macht, völlig legitim ist.

Und wenn ich oben von Taktik rede, dass die CDU genau diese Situation herbeirufen wollte, die zum Eklat führte, so glaube ich ich hier auch eher an ein taktisches Manöver. Und sowas durchschauen die Bürger.

Das Beben bei den Grünen

Grüner Vorstand tritt zurück

Es war irgendwie erwartbar, die letzten 6 Wahlen liefen echt schlecht. Man flog aus 2 Landtagen(Thüringen/Brandenburg) und 3 Landesregierungen(Berlin, Hessen, Sachsen). Die Umfragen kennen nur noch eine Richtung: nach unten.

Wichtig ist dabei der Zeitpunkt. Die Partei Linke gab mitten im Ostwahlkampf bekannt, die Spitze zu erneuern, was ich einen sehr unglücklichen Zeitpunkt finde. Nun kurz nach den Wahlen macht es mehr Sinn.

Bis zur Bundestagswahl kommt nun noch die Wahl in Hamburg und da passieren auch gerade komische Sachen mit den Grünen. Aus Rot-Grün kann SPD + CDU + FDP + Volt werden. Irre Kombination, aber eben auch ein Schatten auf die bevorstehende Wahl. Und dann ist auch schon Bundestagswahl.

Ob man mit dem aktuellen Umfrageergebnissen überhaupt einen Kanzlerkandidaten aufstellen sollte, ist fraglich. Da braucht es eben ein Zeichen an die Basis. Und wie beim Fußball der Trainer entlassen wird, gehen in der Politik halt die Vorstände. Spannend wir auch zu beobachten sein, ob und wie sich der Einfluss von Habeck auf die Partei entwickelt. Und wie Frau Esken reagiert, denn bis auf Brandenburg liefen die Wahlen ähnlich desaströs.

In der Geschwindigkeit, in der die Kandidatur der neuen Kandidaten lief, kann man von keiner Spontanen Aktion ausgehen. Insbesondere, dass einige Journalisten erfahren haben wollen, dass Habeck-Vertraute Franziska Brantner ein Ministerposten von Habeck versprochen wurde, lässt die Vermutung zu, dass Robert Habeck, der aktuell beliebteste Grüne, es auch beherrscht, im Hintergrund die Strippen zu ziehen.

Vorstand der Grünen Jugend tritt aus

Am gleichen Tag gab es noch ein Statement des Vorstands der Grünen Jugend. Man tritt geschlossen zurück und aus der Partei aus. Man strebe nun den Aufbau eine linken Jugendorganisation an.

Das der Jugendverband unzufrieden mit der Performance der Partei in der Regierung ist, ist nichts neues. Schon letztes Jahr hagelte es Kritik. Interessanterweise zeigt sich die Zerrissenheit der Partei beim letzten Jahr schon beim damals ausgeschiedenen Vorstand.

Während Timon Dzienus vor kurzem seine Kandidatur für den Bundestag bekannt gab, also an einer Erneuerung von Innen heraus glaubt, geht Sarah-Lee Heinrich den Weg des Austritts.

Begleitet wurde die Verkündung der Kandidatur übrigens von Störgeräuschen auf beiden Seiten. Während von rechts die mangelnde Lebens- und Berufserfahrung kritisiert wurde, fiel den Klimas auf, dass in der Aufzählung seiner Werte die Themen Klima-Umwelt-Natur komplett fehlten.

Sarah-Lee Heinrich hingegen wählt den Weg des Austritts. Es soll eine neue junge linke Bewegung gestartet werden. Die Hoffnung, aus dem Inneren heraus etwas zu bewirken ist gestorben. Im laufe der Woche folgten noch Vorstände von Landesverbänden. Da wird wohl auch bei den Mitgliedern ein bisschen Bewegung zu erwarten sein. Inwieweit es im linken Umfeld eine weitere Gruppe braucht, mag jeder für sich beurteilen.

Kitakrise und Kitastreik in Berlin

Ich bin so alt, ich erinnere mich noch an eine SPD als Partei der Arbeitnehmer. Die Partei der Gewerkschaften. Ja, ich bin alt.

Kinderbetreuung ist kein Geschenk an die Eltern, sondern an die Wirtschaft.
Oliver Welke, Heute Show, 14.10.2022

Kitakrise äußert sich in Deutschland in unterschiedlichen Ausprägungen, da ist die alte Grenze zwischen Ost und West noch deutlich erkennbar. Und Berlin tickt sowieso noch mal anders.

Fakt ist, läuft es nicht in den Kitas, darum ergibt das Probleme für die Eltern, wenn diese berufstätig sind und schließlich auch für die Betriebe. Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie kommt zu dem Schluss, dass Investitionen in die Infrastruktur nötig sind. Kitas, Schulen und Hochschulen gehören nach eigenen Angabe dazu und machen über ein Viertel der vom Industrieverband geforderten Investitionen von 400 Milliarden aus.

Die Unternehmen haben ein hohes Eigeninteresse daran, dass Kinderbetreuung gut und regelmäßig stattfindet. Dass beweist auch die ständig steigende Anzahl von Betriebskitas und den betrieblich gebuchten Plätzen in Kitas, die „Betriebskita light“.

Insofern ist es schäbig, dass die SPD in Berlin hier versucht, Kitas gegen Unternehmen auszuspielen. Die Anwalt der Arbeitnehmer war einmal.

Anyway, haben wir da nicht die Eltern vergessen? Ich denke nicht!
Als Vorsitzender eines Kita-Elternbeirats sehe ich, dass die Eltern genau wie die Unternehmen und die Kita-Angestellten wollen, dass es ihrem Kind in der Fremdbetreuung gut geht. Und das geht eben nur, wenn es der Betreuung gut geht. Ich bin kein Mediziner, aber ein Freund der Zahlen. Wenn es in diesem Berufsfeld zu massiv über dem Schnitt liegenden Krankheitsausfällen, viele durch Überlastung, kommt, dann läuft da etwas schief.

Der Schlüssel ist der Schlüssel

Ganz Kurz, der Betreuungsschlüssel gibt an, wie viele Kinder eine Erzieherin betreut. Der Ü3 (Kinder über 3 Jahre)Schlüssel sollte laut Experten bei 7,5 liegen. Da ist Berlin schon nah dran, hat aber wie viele (alte) Bundesländer mit solch einem Schlüssel das Problem, das dafür benötigte Personal zu finden. Was dann bleibt ist Vertretung, Überlastungsanzeigen und Burnout. Auch wenn es in den letzten Jahren viele Verbesserungen gab, was das Thema Ausbildung angeht, so fehlt das Personal.

Der Schlüssel im Osten

Kitakrise im Osten sieht dabei komplett konträr aus. Nicht zuletzt durch die Wahlen in den neuen Bundesländern wurde ein Fokus gelegt auf viele regionale Besonderheiten wie Altersstruktur oder geringe Geburtenrate. Was selten thematisiert wird, ist das Vermächtnis der DDR, was den Betreuungsschlüssel angeht. Erinnern wir uns, der von Experten empfohlene Schlüssel liegt bei 7,5. In der DDR lag dieser bei 13. Und Sachsen hat es geschafft, diesen Schlüssel in bald 35 Jahren auf Trommelwirbel 12 zu senken.

12, zwölf, eine Erzieherfachkraft in Sachsen betreut deutlich mehr Kinder, fast doppelt so viele, wie eine Erzieherfachkraft in den alten Bundesländern, zu deutlich geringerem Lohn.

Zusammen mit der niedrigen Geburtenrate ergibt sich dabei eine Chance oder ein Problem, wie es die Politik nennt.

Die Chance ist klar erkennbar: Wir haben eine Situation, in der ein Erzieher- oder Kitaplatzüberschuss herrscht. Beste Situation, um den Schlüssel perspektivisch um ein oder zwei Kinder zu verringern.

Oder und das ist der Weg, den Sachsen geht, Kitas zu schließen.

Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist.

 Der Leopard -Giuseppe Tomasi di Lampedusa.

Was mir ja an der Politik aktuell fehlt, ist die langfristige Vision. Was denkt man sich, was in 10 Jahren ist?

Wenn man jetzt Kitas schließt, geht ein Teil des Personals weg. Ein Teil in die Rente, ein Teil, der regional nicht so gebunden ist, also die jungen Fachkräfte, geht in den Westen, wo sie gebraucht werden, wo sie mehr verdienen, wo sie bessere Arbeitsbedingungen vorfinden.

Welch Blauäugigkeit setzt es voraus, dass es langfristig auch funktioniert, wenn die Geburtenrate wieder anzieht, dass man hier weiter die Situation, um die uns andere Bundesländer beneiden, allen einen sicheren Kitaplatz anbieten zu können, weiter aufrecht erhalten zu können?

Farbanschlag Joe Chialo

Über Einschüchterung und Bedrohung von Politikern wurde in der letzten Zeit vor den Wahlen im Osten genug berichtet. Spannend hier, dass es nun ein Angriff aus dem Linken Milieu war, wie auch bei Dirk Panther in Leipzig.
Ich denke auf sowas kann man getrost verzichten. Von beiden Seiten. Und wir sollten es von beiden Seiten gleich laut verurteilen.

Wahl in Brandenburg

Die Wahl in Brandenburg verlief genau wie die Wahl in Sachsen, über die ich vor kurzem schrieb. Nur das hier nicht die CDU die Leihstimmen erhielt, sondern die SPD. 75% der Wähler gaben an, die SPD gewählt zu haben, um die AfD zu verhindern. Das ging dementsprechend zu Lasten der CDU, die nun einen Schuldigen suchten und in Kretschmer fanden, der in einem Interview indirekt zur Wahl der SPD aufrief. Grüne, Linke und Freie Wähler raus. Bei den Grünen besonders dramatisch, da die ersten Hochrechnungen die Partei bei 5.0% sahen. Zusätzlich verlor man, wie die Freien Wähler auch, das Direktmandat.

Apropos Direktmandate, da gab es nur AFD und SPD, auch die CDU konnte kein Direktmandat mehr erreichen. Kleine Randnotiz ist die FDP, die mit 0,87 unter die Parteifinanzierung rutschte und sogar hinter der Listenvereinigung Plus, u.a. mit Volt rutschte.

Gedanken zur Landtagswahl Sachsen 2024

Vor der Wahl ist die Zeit des Wahlkampfes, nach den Wahlen beginnt die Zeit der Analysten. Dabei sind neben den Ergebnissen vor allem andere Details beängstigend.

Wahlbeteiligung

Die alte Faustformel, umso höher die Wahlbeteiligung, desto weniger Prozente holen die extremen Ränder gilt nicht mehr. Mit 74.4% gab es einen Rekord für Wahlbeteiligung bei einer Landtagswahl in Sachsen, fast anderthalbfach so hoch, wie bei der Wahl mit der schlechtesten Beteiligung 2014 von 49,2%.

Die Gründe dafür sind wohl vor allem in der Berichterstattung der Medien zu suchen. Schicksalswahl war wohl das präsenteste Schlagwort um die Gefahr, dass zum ersten Mal eine ultrarechte Partei den Wahlsieger stellt, vor allem vor dem historischen Hintergrund in unserem Nachbarbundesland Thüringen. Das aktivierte dabei beide Lager, diejenigen, welche der AfD zu diesem Sieg verhelfen wollten sowie die Demokraten, die ebenjenes selbstverständlich verhindern wollte.

Die Jugend

Am wenigsten überrascht nach den Ergebnissen der EU-Wahl und der U18 Wahl, dass auch hier die jungen Menschen zu meist für die AfD abstimmten.
Und immer noch gibt es keinen Ansatz außer „es fehlt politische Bildung“ und „wir müssen es besser erklären“. Die mittlerweile schon als hohle Phrasen bekannten paternalistischen Sprüche fehlen bei keiner Wahlanalyse. Führten bisher noch nie zu Veränderungen, geschweige denn Verbesserungen. Man kann es nicht mehr hören. Vor allem, wenn es bei den jungen Menschen als „du bist einfach zu dumm zum wählen“ wahrgenommen wird. Die Arbeit der Ampel hat bisher gezeigt: es gäbe Ideen, die Situation von jungen Menschen und Familien zu verbessern, aber die kosten allesamt Geld. Geld welches nicht da ist oder zumindest von der FDP nicht freigegeben wird, Schuldenbremse halt. Hat die Jugend halt Pech gehabt.

Die FDP

Apropos Pech gehabt. Kein Geld mehr da ist übrigens auch für die FDP Sachsen. Die Lust am Streit, welche schon in der Ampel ständig erkennbar ist führte in Sachsen zum Zerwürfnis mit dem altgedienten Holger Zastrow, welcher mit Team Zastrow selbst antrat. Team Zastrow erreichte zwar auch Ergebnisse unter ferner Liefen, könnte aber der FDP die paar Stimmen gekostet haben, die für die Parteienfinanzierung notwendige Überschreitung der 1% Hürde nötig gewesen wären. Sachsen war noch nie ein leichtes Pflaster für die Liberalen. Der Aufprall ist aber schon extrem hart.

Die freien Wähler

Dank Direktmandat wahrscheinlich im Landtag vertreten ist Grimmas Bürgermeister Matthias Berger. Der Konjunktiv ist dem Fakt geschuldet, das er sich noch gar nicht so sicher ist, ob er selbst das Mandat annimmt. Spannend vor allem, weil sich der sächsische Landesverband gegen das Kooperationsverbot mit der AfD des Bundesverbandes hinwegsetzt. Man besetzt eine konservative nach rechts offene Politik, deren Wählerpotential sich offenbar auf die freien Wähler konzentriert hat und die restlichen Bewerber um diese Position wie WerteUnion, Bündnis Deutschland und die Basis zur Bedeutungslosigkeit degradiert hat.

Ganz unbedeutend ist dieser Sitz aber nicht, wenn man sich die Sperrminorität anschaut. Da fehlt der AfD genau dieser eine Sitz.

Die Linken

Ebenfalls von Streit und Spaltung betroffen sind die sächsischen Linken, welche nur im Landtag sitzen, weil es die Partei schaffte, 2 Direktmandate in Leipzig zu holen. Kennt man ja aus der letzten Bundestagswahl. Die Vollkatastrophe konnte somit nach dem Heckmeck mit der BSW verhindert werden.

Das BSW

Das BSW holte aus dem Stand zweistellige Ergebnisse und gilt nun sowohl in Sachsen, als auch in Thüringen als Königsmacher, wenn es darum geht tragfähige Koalitionen zu bilden. Da hat die CDU nun ein ernsthaftes Problem. Das BSW ist in seiner sektenartigen Struktur noch eine landespolitische Blackbox. Viel wurde über Bundesthemen gesprochen, die auch in den aus dem Saarland gesteuerten Koalitionsverhandlungen Bedingung für eine Zusammenarbeit sein sollen. Dagegen regt sich Widerstand in den anderen Bundesländern. Das Kretschmer mit anderen Augen als die Bundespartei auf den Krieg in der Ukraine schaut, ist hinlänglich bekannt. Das birgt viel Zündstoff. Aber nicht beim BSW.

Die CDU

Die CDU hat die Wahl gewonnen. Kann man so sagen, ehrlicher wäre es zu sagen, sie wurde stärkste Kraft. Mit dem schlechtesten Ergebnis, dass eine CDU je in Sachsen erreicht hat.

Seit die AfD erstarkt ist, gibt es das Thema Leihstimmen und taktisches Wählen. Und wenn man in den Analysen die Gründe für das Kreuz bei der CDU anschaut, fällt auf, dass mehr als die Hälfte der Wähler ihr Kreuz dort machten, um die AfD zu verhindern.

Für mich klingt es wie Hohn, dass eine Partei, die mit ihrem Weg AfD-Positionen normalisiert hat und laut Soziologen und Politikwissenschaftlern für die Erfolge der AfD mit verantwortlich gemacht wird, sich glaubhaft als antifaschistisches Bollwerk präsentieren konnte. Erinnert sich noch jemand an den Satz von Merz, er traue sich zu, die AfD zu halbieren? Oder die Diskussion, wie hilfreich das TV Duell zwischen Voigt und Höcke für welche Partei war?

Anyway, die CDU ist mit der Hilfe von Leihstimmen zur stärksten Kraft geworden. Hat dabei der AfD keine Stimmen abnehmen können und die Grünen in eine existenzielle Krise gestürzt.

Die AfD

Okay, reden wir vom Elefanten im Raum, der AfD. Und davon, wie immer noch kein Mittel gefunden wurde, der AfD Stimmen abzunehmen.

Zugegeben, in den letzten 5 Jahren, die mit Corona, Ukraine, Klima und Gaza den Deutschen das Wort Polykrise beigebracht haben, ist es für jede Partei in der Opposition sehr einfach gewesen, bei allen Entscheidungen darauf zu beharren, dass man es doch besser gelöst hätte und die Aktiven einfach unfähig sind. Diese Art der destruktiven Opposition hat die AfD in den letzten Jahren verfeinert und sich vor allem im Bereich Social Media deutlich besser aufgestellt.

Die Wählerschaft konnte damit über die letzten Jahre konstant in Spannung gehalten werden. Zunehmend wurden auch die alternativen Medien und Akteure auf Social Media in einer Art Symbiose zu modernen Wahlhelfern. Impfskeptiker, Esoteriker, Cryptojünger, Friedenskämpfer und Börsencrashpropheten wurden zu anschlussfähigen Gruppen.

Schaut man sich die Wählerwanderung an, so ist bei der AfD ein Zufluss aus allen Partei zu erkennen und es gibt eine einzige Partei, an welche die AfD verloren hat: das BSW, das mit ähnlich populistischen und faktenverdrehenden Taktiken eine destruktive Opposition darstellt.

Das lässt den verstörenden Schluss zu, dass keine der bisherigen Taktiken geholfen hat, Wähler zurück zu gewinnen.

Nicht die Demaskierung der Parteimitglieder, die mit rassistischen, sexistischen und antimuslimischen Zitaten auffielen oder die Zeit des Nationalsozialismus oder gar den Holocaust leugnen.

Nicht die Erklärung des Wahlprogrammes, dass dem Großteil der Wähler selbst schaden würde.

Nicht die großen Demonstrationen gegen Rechts.

Nicht die Talkshows oder Diskussionen, in die Mitglieder der Partei eingeladen wurden.

Nichts davon hat geholfen, es sind mehr Wähler geworden und diese haben ihre Meinung verfestigt. War bei der letzten Wahl der größte Anteil derer, die aus Protest die AfD wählte, so überwiegt nun der Anteil derer, die mit dem Programm einverstanden sind.

Man kann fast den Eindruck gewinnen, dass der Instrumentenkasten erschöpft ist und nichts geholfen hat. Sehr treffend beschreibt das Josef Schuster, der Präsident des Zentralrates der Juden:

Deutschland taumelt. Können wir uns von diesem Treffer erholen?

Denn jetzt ist die Frage, was nun? Welche Maßnahme kann denn überhaupt noch helfen, diese Entwicklung zu stoppen? Klar ist nur: Aufgeben ist keine Option!

Schließen möchte ich mit einem Zitat des Bundeskanzlers Olaf Scholz beim Bürgerdialog kurz nach der Wahl.

Haben sie da ein Patentrezept? Ich frage für einen Freund.

Farbe ist keine Infrastruktur

Lasst uns bei der Fahrradnacht ein starkes Zeichen setzen: Für eine Stadt, in der das Fahrradfahren nicht nur umweltfreundlich, sondern auch sicher ist. Leipzig hat das Potenzial, eine Vorzeigestadt für nachhaltige Mobilität zu werden – aber nur, wenn die Stadt versteht: Farbe ist keine Infrastruktur.

Leipzigs Fahrradnacht steht vor der Tür, ein Event, das die Bedeutung des Fahrrads als umweltfreundliches Verkehrsmittel feiert und gleichzeitig der Startschuss des Stadtradelns ist. Doch während wir das Engagement für nachhaltige Mobilität begrüßen, müssen wir auch auf ein dringendes Problem hinweisen: Die unzureichende Sicherheit der Radinfrastruktur in unserer Stadt.

Farbe ist keine Infrastruktur

Der Stadtrat Leipzig meint, Fahrradstreifen lediglich durch farbige Markierungen auf der Straße auszuweisen, anstatt physische Barrieren zu nutzen, die den Radverkehr klar vom Autoverkehr trennen. Studien belegen, dass physische Barrieren, wie Bordsteine oder Poller, die Zahl der Unfälle deutlich reduzieren. Radwege, die lediglich durch Farbe gekennzeichnet sind, bieten keinen ausreichenden Schutz. Die Konsequenz: Mehr Unfälle, weil Radfahrende sich auf scheinbare Sicherheit verlassen, die in Wirklichkeit nicht gegeben ist.

Der Radverkehrsentwicklungsplan: Ein Schritt in die richtige Richtung

Es ist jedoch wichtig anzuerkennen, dass Leipzig mit dem Radverkehrsentwicklungsplan einen großen und wichtigen Schritt in die richtige Richtung macht. Der Plan zielt darauf ab, den Radverkehrsanteil bis 2030 deutlich zu erhöhen und die Infrastruktur sukzessive zu verbessern.

Physische Sicherheit muss Priorität haben

So gut der Radverkehrsentwicklungsplan auch ist, er greift zu kurz, wenn es um die physische Sicherheit geht. Farbe auf der Straße reicht nicht aus, um Radfahrerinnen zu schützen. Wir fordern die Stadt auf, den Plan zu überarbeiten und physische Barrieren als Standard für neue Radwege festzulegen. Nur so kann Leipzig eine sichere Stadt für alle Verkehrsteilnehmerinnen werden.

Gemeinsam für ein sicheres Leipzig

Lasst uns bei der Fahrradnacht ein starkes Zeichen setzen: Für eine Stadt, in der das Fahrradfahren nicht nur umweltfreundlich, sondern auch sicher ist. Leipzig hat das Potenzial, eine Vorzeigestadt für nachhaltige Mobilität zu werden – aber nur, wenn die Stadt versteht: Farbe ist keine Infrastruktur.

Unsichtbar = Unsicher

Diese Entwicklungen spiegeln einen besorgniserregenden Trend wider. Europaweit erleben wir einen Rechtsruck, der den Fortschritt in Sachen Gleichstellung und Schutz queeren Lebens vielerorts zum Erliegen gebracht oder stark gebremst hat.

Die Lage in Deutschland

2024 markiert in Deutschland das Jahr des Selbstbestimmungsgesetzes, eine überfällige Ersetzung des alten verfassungswidrigen Gesetzes. Die Einführung dieses Gesetzes ist ein triumphaler Moment, auf den viele lange hingearbeitet haben.  Es ist ein bedeutender Schritt in Richtung eines gerechteren Landes für alle.

Doch dieser Fortschritt kam nicht ohne Widerstände. Neben den erwarteten postfaktischen Einwänden aus rechtsextremen Kreisen, gab es auch kritische Stimmen aus anderen Lagern. Die christlichen Volksparteien, die angesichts des Rechtsrucks in Europa versuchen, faschistische Positionen teilweise zu übernehmen, überraschten wenig. Erstaunlicher war jedoch, dass auch das liberale Lager bereit war, Geschlechtsidentität mit Kriminalität in Verbindung zu bringen und die Meldung einer Eintragung an den gesamten deutschen Sicherheitsapparat zu senden.

Diese Entwicklungen spiegeln einen besorgniserregenden Trend wider. Europaweit erleben wir einen Rechtsruck, der den Fortschritt in Sachen Gleichstellung und Schutz queeren Lebens vielerorts zum Erliegen gebracht oder stark gebremst hat.

Die Lage in der EU

Die Europäische Union hat in den letzten Jahrzehnten bedeutende Fortschritte beim Schutz queeren Lebens gemacht. Dennoch gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. In Ländern wie Schweden und den Niederlanden sind die Rechte queerer Menschen weitreichend geschützt. Schweden war eines der ersten Länder, das gleichgeschlechtliche Ehen legalisierte und umfassende Antidiskriminierungsgesetze einführte. Im Gegensatz dazu steht die Situation in Ländern wie Polen, wo sich die Lage queerer Menschen in den letzten Jahren verschlechtert hat. Zahlreiche Gemeinden erklärten sich zu „LGBT-freien Zonen“, was eine erhebliche Bedrohung für die Sicherheit und Rechte queerer Menschen darstellt. Erst kürzlich konnte die PiS-Partei abgewählt werden, was Hoffnung auf Besserung weckt.

Die Entwicklung der letzten Jahre

Die letzten zehn Jahre waren sowohl von Fortschritten als auch von Rückschlägen geprägt. Ein bedeutender Fortschritt war die Erweiterung der EU-weiten Richtlinie zur Gleichbehandlung (Richtlinie 2000/43/EG) auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität. In Deutschland und Österreich wurden bedeutende gesetzliche Fortschritte erzielt: Deutschland führte 2017 die Ehe für alle ein, Österreich folgte 2019.

Doch es gab auch Rückschläge. In Ungarn hat die Regierung unter Viktor Orbán systematisch die Rechte queerer Menschen beschnitten. 2020 verabschiedete das ungarische Parlament ein Gesetz, das die Anerkennung der Geschlechtsidentität für Transpersonen faktisch unmöglich macht.

Repräsentation fördert Akzeptanz

Ein positiver Indikator ist die zunehmende politische Repräsentation queerer Menschen in der EU. In Finnland wurde 2020 Sanna Marin zur Premierministerin gewählt, die aus einer Regenbogenfamilie stammt, und Irland bekam mit Leo Varadkar einen offen schwulen Premierminister. Diese Repräsentanz führte zu einer queerfreundlicheren Politik und zur Verbesserung der Situation.Auch in Luxemburg und Griechenland gibt es Persönlichkeiten, die entscheidend zur Verbesserung der Lage queerer Menschen beigetragen haben. In Luxemburg war Premierminister Xavier Bettel eine herausragende Figur im Kampf für die Rechte der queeren Gemeinschaft. Als einer der wenigen offen schwulen Regierungschefs weltweit setzt er sich vehement für Gleichstellung und Rechte queerer Menschen ein. In Griechenland hat der ehemalige Ministerpräsident Alexis Tsipras ebenfalls Schritte unternommen, um die Rechte der queeren Gemeinschaft zu stärken.

Queerness und die Medien

Die Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Rechte queerer Menschen. Unabhängige und freie Medien können über Missstände berichten und Bewusstsein schaffen. Staatlich kontrollierte Medien hingegen können die öffentliche Meinung in ihrem Sinne prägen, bestimmte Ereignisse ignorieren und nur ausgewählte Meinungen zulassen.

Es ist daher sehr begrüßenswert, dass Donald Tusk in Polen Instrumente zur Kontrolle des Fernsehens wieder aus der Hand der Regierung gab. Dieser „Independence Day“ der Medien, bei dem Nachrichtensprecher sich für die Falschinformationen während der PiS-Zeit entschuldigten, war ein bedeutender Schritt. Dagegen bewegten sich Italien unter Meloni und die Slowakei unter Fico in die entgegengesetzte Richtung.

In Ländern mit starker staatlicher Medienkontrolle, wie Ungarn, wird die Berichterstattung über queere Themen häufig verzerrt oder ganz unterdrückt. Die Einschränkung der Pressefreiheit führt dazu, dass Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen oft unbemerkt bleiben. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch weisen seit Jahren auf diese Missstände hin.

Queerness und die Medien

Die Medien spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung der Rechte queerer Menschen. Unabhängige und freie Medien können über Missstände berichten und Bewusstsein schaffen. Staatlich kontrollierte Medien hingegen können die öffentliche Meinung in ihrem Sinne prägen, bestimmte Ereignisse ignorieren und nur ausgewählte Meinungen zulassen.

Es ist daher sehr begrüßenswert, dass Donald Tusk in Polen Instrumente zur Kontrolle des Fernsehens wieder aus der Hand der Regierung gab. Dieser „Independence Day“ der Medien, bei dem Nachrichtensprecher sich für die Falschinformationen während der PiS-Zeit entschuldigten, war ein bedeutender Schritt. Dagegen bewegten sich Italien unter Meloni und die Slowakei unter Fico in die entgegengesetzte Richtung.

In Ländern mit starker staatlicher Medienkontrolle, wie Ungarn, wird die Berichterstattung über queere Themen häufig verzerrt oder ganz unterdrückt. Die Einschränkung der Pressefreiheit führt dazu, dass Diskriminierungen und Menschenrechtsverletzungen oft unbemerkt bleiben. Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch weisen seit Jahren auf diese Missstände hin.

Queere Rechte als EU-Rechte

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stehen in ihren Urteilen für die Grundrechte der queeren Community ein, doch es fehlt an der Durchsetzung. Gesetze wie die Richtlinie 2000/78/EG zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf sollten auf alle Lebensbereiche erweitert werden.

Die EU-Agentur für Grundrechte (FRA) sollte aktiver werden und die Sanktionsmöglichkeiten erweitert werden. Die Rechtsstaatlichkeits-Konditionalität könnte hierbei eine Grundlage bieten.

Die EU sollte Maßnahmen ergreifen, um die Unabhängigkeit der Medien zu gewährleisten und sicherzustellen, dass freier und unabhängiger Journalismus in der EU geschützt wird.