Die Politik sucht den Umgang mit der AfD– Herzblatt-Edition!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Demokratie-Singles da draußen die mich lesen! Herzlich willkommen zur politisch brisantesten, zur strategisch kniffligsten, ja, zur staatstragendsten Kuppelshow des Jahres! Die Spannung knistert, die Luft flimmert, denn nach dem jüngsten Paukenschlag aus Köln, verkündet vom Bundesamt für Verfassungsschutz , ist es nun amtlich: die AfD, unsere langjährige Bekannte vom rechten Rand, trägt jetzt das Gütesiegel „gesichert rechtsextremistisch“. Ein Wendepunkt, ein finaler Weckruf, ein schwarzer Freitag für die Demokratie – je nachdem, wen Sie fragen.  

Und nun steht das Who-is-who der Politik vor der Mutter aller Partnerwahlen: Welche Strategie wählt man, um mit diesem, sagen wir mal, herausfordernden Kandidaten umzugehen? Ignorieren? Konfrontieren? Kopieren?
Die Einsätze sind hoch, es geht nicht nur um eine Rose oder ein paar Wählerstimmen mehr oder weniger. Nein, es geht um die Stabilität der Republik, um die vielzitierte „wehrhafte Demokratie“. Denn diese Einstufung ist mehr als nur ein neues Etikett. Sie bedeutet potenziell: verstärkte Beobachtung durch den Verfassungsschutz, auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln wie V-Leuten. Man diskutiert offen über AfD-Mitglieder im Staatsdienst – dürfen die noch Beamte sein? Und sie lässt die Rufe nach einem AfD-Verbotsverfahren wieder lauter werden. Die AfD selbst? Gibt sich kämpferisch, spricht von politischer Motivation, kündigt Klagen an und ist doch spürbar hochnervös.  

Und als wäre das alles nicht schon kompliziert genug, schaut auch noch das Ausland ganz genau hin. Während die einen die Entscheidung als notwendigen Schritt zum Schutz der Verfassung loben, werfen andere, darunter hochrangige US-Politiker, Deutschland gar „verdeckte Tyrannei“ vor und sehen die Demokratie durch das Vorgehen gegen die Oppositionspartei gefährdet. Ein internationaler Druckkessel, der die Wahl der richtigen Strategie noch brisanter macht.  

Aber genug der Vorrede! Holen wir die hoffnungsvollen Kandidaten auf die Bühne! Und mit hoffnungsvoll meine ich hier nicht die Erfolgschancen, sondern lediglich den Umstand, dass ebenjene Kandidaten der Regierung angehören oder wie Carsten Linnemann halt nur dem Bundestag. Seine Entscheidung, die Merz sicher geschadet hat, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Schauen wir und die Kandidaten an.

Die Merz-Methode

Hier kommt er, unser erster Kandidat! Ein Mann wie ein Fels in der Brandung – oder vielleicht einfach nur… ein alter Stein? Wir nennen ihn Friedrich M., frischgebackener Kanzler der Republik. Seine Taktik im Umgang mit der frisch als rechtsextremistisch eingestuften AfD? Zunächst einmal: Schweigen. Ein lautes Schweigen? Ein ratloses Schweigen? Oder einfach nur die Ruhe vor dem Sturm?  

Die Einstufung durch den Verfassungsschutz platzt mitten in die Zeit des Regierungswechsels, kurz bevor Friedrich M. das Kanzleramt übernehmen sollte. Die scheidende Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hat ihn, wie auch Noch-Kanzler Olaf Scholz und den designierten Nachfolger Dobrindt, zwar vorab über den Schritt informiert. Damit nahm sie ihm die Entscheidung über die Einstufung selbst zwar ab, aber die Verantwortung für den Umgang damit liegt nun bei ihm. International wird das Timing als heikel betrachtet. Wobei, am heikelsten wäre ein Termin vor der Wahl gewesen. Und heikel wäre auch ein Termin nach der Amtsübergabe gewesen, aber dazu später mehr.

Beobachter sehen Merz vor einer „höchst prekären politischen Gratwanderung“. Seine Partei, die Union, zeigt sich in der Frage eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens eher zurückhaltend.

Was spricht für den schweigsamen Friedrich?

Einerseits hat die AfD angekündigt, dagegen zu klagen. Das macht sie zwar immer, hatte aber bisher in fünf von sechs dieser Klagen keinen Erfolg. Da kann es durchaus auch geboten sein, die Entscheidung abzuwarten und sich gleichzeitig mehr Zeit zur Festlegung der Strategie zu erkaufen. Erkauft mit dem Unverständnis derjenigen, die jetzt sofort reagieren würden, wie zum Beispiel sein Dauerrivale Daniel Günther, der lieber gestern als heute ein Verbotsverfahren starten würden.

Auch der scheidende Kanzler Scholz mahnte, nichts übers Knie zu brechen.
Schweigen kann Raum geben, die vielfältigen Reaktionen abzuwarten und zu analysieren.  

Wer nichts macht, kann auch keine Fehler machen. Der Stachel des Gegenwinds auf den provozierten und fehlgeschlagenen Schulterschluss mit der AfD bei der Migrationsabstimmung sitzt noch tief. Dann die 180 Gradwende beim Thema Schulden. Wann immer Merz irgendetwas tat, brachte es ihm Gegenwind ein. Das ist zwar Teil des Politikgeschäftes, aber in der Stärke schon arg. Merz wird schon vor Amtsantritt als viel schwächer eingeschätzt, als es Habeck je war. Und das will schon was heißen. Zudem kennt die Politikwissenschaft das „Ignorieren“ durchaus als mögliche, wenn auch riskante Strategie.  

Fassen wir zusammen, Merz hat jedes Fettnäpfchen mit Anlauf genommen, was rumstand. Und das Thema Umgang mit der AfD ist so aufgeladen, dass er egal wie, den falschen Ton treffen würden. Dann doch lieber den Mund halten.

Allerdings wird Friedrich in dieser Woche wohl zum Kanzler ernannt. Und an die Position sind die Erwartungen nach Haltung und Orientierung sehr hoch. Wenn der zukünftige Kanzler schweigt, überlässt er anderen das Feld. Die Gefahr: Das Narrativ der AfD (die politische Verfolgung) oder das Narrativ der Kritiker (die Verharmlosung durch die Regierung) verfängt sich, bevor er ihre eigene Position klar formuliert hat(First-Mover-Effekt).

Zu guter Letzt besteht die Gefahr, dass trotz aller offiziellen „Brandmauer“-Beteuerungen das Schweigen als Indiz gewertet werden könnte, dass man sich Türen offenhalten will. Das würde auch den Bedenkenträgern in die Karten spielen, dass das Amt für Jens Spahn, der Fraktionsvorsitz mehr als ein Freundschaftsbeweis ist. Unionsintern wird Spahn als so machtbesessen dargestellt, dass nicht ausgeschlossen ist, dass er sich mit den Stimmen der AfD zum Folgekanzler auf Merz küren lassen würde. Das enttäuscht diejenigen, die eine unmissverständliche Abgrenzung fordern.  

Man kann davon ausgehen, dass er weiß was er tut. Er muss einen Balanceakt vollführen: zwischen den Hardlinern in der Union, die klare Kante fordern, den Pragmatikern, die AfD-Wähler zurückgewinnen wollen , den juristischen Unwägbarkeiten und der kritischen Beobachtung aus dem Ausland.

Die Dobrindt-Devise: Wegregieren!

Ring frei für Kandidat Nummer Zwei! Hier kommt Alexander D., der designierte Innenminister aus Bayern, mit einer zupackenden Ansage: Die AfD? Die muss man nicht verbieten, die muss man „wegregieren“!. Das klingt doch nach Tatkraft, nach Ärmel hochkrempeln, nach Problemlösung! Aber Moment mal, was heißt das denn nun genau? Heißt das, die Sorgen der Bürger so gut zu adressieren, dass niemand mehr die AfD braucht? Oder heißt das vielleicht doch, bei den Themen der AfD kräftig zu wildern, um deren Wähler anzulocken?  

Alexander Dobrindt (CSU) positioniert sich klar gegen ein AfD-Verbotsverfahren. Seine Begründung: Das würde jahrelang dauern und wäre nur „Wasser auf die Mühlen der AfD“, die sich dann als Opfer inszenieren könnte. Stattdessen müsse man die Partei politisch stellen und durch gute Regierungsarbeit überflüssig machen. Gleichzeitig verfolgt die Union insbesondere in der Migrations- und Asylpolitik einen Kurs, der sich inhaltlich stark an Forderungen orientiert, wie sie auch die AfD erhebt: strikte Begrenzung, schnellere Abschiebungen, Grenzkontrollen, Sach- statt Geldleistungen, Aussetzung des Familiennachzugs. Und nach eigenem Bekunden, sollen diese Maßnahmen sehr schnell nach Regierungsübernahme umgesetzt werden.

Was spricht für den Weg von Dobrindt?

Ganz ehrlich: nichts!

Dobrindt geht der irrigen Annahme aus, es würde irgendwie reichen, den kleinen Finger zu reichen. Wird es nicht! Auch wenn die Idee gut klingt: zügige Umsetzungen zeugen von Umsetzungswillen und Entschlossenheit. Das klingt nach Aufbruch und Vision. Indes zeigen die letzten Wahlen(hab ich ja viel drüber geschrieben) das es eine einzige Partei gab, die es auch nur ansatzweise Stimmen der AfD streitig zu machen: das BSW. Nur hat ebenjenes die Bundestagwahl verloren und es gibt viele Querelen und Austritte. Mehr dazu hier:

Zurück zu Dobrindt.

Indem man die Themen der AfD aufgreift(a.k.a. kopiert, damit kokettiert die AfD ja auch mittlerweile sehr offen) und mit ähnlichen Maßnahmen reagiert, läuft man stets Gefahr, rechtspopulistische Positionen salonfähig zu machen. Die Grenze zwischen notwendiger Problembearbeitung und Anbiederung an rechte Stimmungen verschwimmt.  Die große Frage: warum die Kopie wählen, wenn es das Original gibt?  

Die Strategie konzentriert sich zudem auf Sachthemen und ignoriert komplett die tiefere, ideologische Dimension der AfD. Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ basiert ja gerade auf den Verstößen gegen die Menschenwürde, einem völkischen Volksbegriff und Demokratiefeindlichkeit – Aspekte, die durch „gutes Regieren“ allein nicht verschwinden.  

Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge: Man versucht, Wähler vom rechten Rand zurückzulocken, ohne die eigene Basis in der Mitte zu verlieren und ohne die extremistischen Narrative weiter zu normalisieren. Ob dieser Spagat gelingen kann, ist mehr als fraglich.  

Linnemann, Der Protest-Versteher

Carsten Linnemann, Generalsekretär der CDU, der Mann mit dem großen Herzen für… ja, für wen eigentlich? Sein Credo im Umgang mit der AfD und ihren Wählern: Schluss mit dem „Nazi-Bashing“ und dem „Brandmauergerede“!. Die meisten AfD-Wähler seien doch nur aus Protest dabei, frustriert, abgehängt. Ein Mann, der zuhören will, der Verständnis zeigt. Aber ist das Empathie oder gefährliche Naivität?  

Spoiler: Letztes!

Linnemann hat mehrmals öffentlich gefordert, die pauschale Verurteilung der AfD und ihrer Wähler zu beenden. Das Nazi-Bashing mache die Partei nur größer. Er differenziert zwar: Ja, es gebe Rassisten und Antisemiten in der AfD, aber die Wähler seien eben oft nur unzufriedene Protestwähler. Diese müsse man inhaltlich überzeugen, statt sie mit der „Nazi-Keule“ zu vertreiben.

Natürlich muss man Linnemann ein Stückweit recht geben. Die Nazi-Keule wird aktuell sehr gern und oft geschwungen. Indes, beim einem Teil des Klientels verfängt das gar nicht mehr. In einem Deutschlandtrend der ARD meinten zwei drittel der AfD Wähler, dass es ihnen egal wäre, dass die AfD als rechtsextrem gilt, so lange sie die richtigen Themen anspricht. Im Selbstverständnis der AfD Wähler gilt es ja schon als rechtsextrem, wenn man einen Benziner fährt oder Fleisch ist. Generell hat sich die Kommunikationsstrategie der AfD komplett auf 3 Bereiche konzentiert:

  • wir sind das Opfer
  • den staatlichen Institutionen kann man nicht vertrauen
  • Ausländer sind eine Gefahr

Eine Anbiederung kann da nicht erfolgreich sein. Eine Deeskalation, ein Verständnis, eine Konfliktscheue, alles Wischi-Waschi.

Und dieses Wischi-Waschi passiert auf dem Rücken von Betroffenen. Menschengruppen, die von der rassistischen, menschenverachtenden Rhetorik und Politik der AfD direkt betroffen sind, fühlen sich durch eine solche Verharmlosung vor den Kopf gestoßen. Sie erwarten klare Kante und Solidarität, kein Verständnis für die Wähler einer extremistischen Partei.  

Linnemanns Versuch, eine klare Trennlinie zwischen der (bösen) Partei und den (nur protestierenden, also irgendwie unschuldigen, *LOL*) Wählern zu ziehen, erscheint nach der Einstufung der gesamten Partei als rechtsextremistisch nicht mehr haltbar.

Linnemanns Strategie läuft Gefahr, diesen Wählern eine Art Absolution zu erteilen, sie aus der Verantwortung für ihre Wahlentscheidung zu entlassen.

Klingbeil -der Politische Ringer

Ein weiterer Bewerber betritt die Arena! Lars K., der designierte Vizekanzler und SPD-Chef , kommt mit einer klaren Ansage: Die AfD muss man politisch „kleinkriegen“! Klingt nach Kampfansage, nach direkter Konfrontation im politischen Ring. Aber was steckt genau dahinter? Ist das reiner Schlagabtausch oder eine durchdachte Strategie?  

Lars Klingbeil betont immer wieder die Notwendigkeit, die AfD politisch zu stellen und zu bekämpfen. Er zeigt sich skeptisch gegenüber einem Verbotsverfahren als alleinigem Mittel, da dies langwierig sein und der AfD in ihrer Opferrolle nutzen könnte. Stattdessen fordert er, dass die neue Regierungskoalition unter Kanzler Merz, der er selbst als Vizekanzler angehört, schnell handelt, das Gutachten des Verfassungsschutzes auswertet und Konsequenzen zieht. Der Kern seiner Strategie: Durch gute Regierungsarbeit, die den Menschen Sicherheit und Zuversicht gibt, durch einen besseren politischen Stil und durch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD, soll dieser der Nährboden entzogen und sie „kleingekriegt“ werden. Dabei will er AfD-Wähler zurückgewinnen, ohne sie pauschal zu diskreditieren , während er gleichzeitig die Partei selbst und ihre Führung klar als rechtsextrem benennt.  

Ich bekomme manchmal echt einen richtigen Hals, wenn ich noch mehr von dem Schwachsinn der „guten Politik“ höre. Aber hey, gibt es denn keine gute Politik? Doch die gibt es:

Gute Politik denkt nicht in Wahlergebnissen,

gute Politik denkt an Alle

und gute Politik denkt voraus.

Und dann haben wir einen Koalitionsvertrag, der das riesige Thema Rente weit weg von sich schiebt. Der notwendige Investitionen mit einem Sternchen versieht, Finanzierungsvorbehalt. Der halt rhetorisch Orientierung gibt, aber faktisch versagt. Und in einer globalen Weltwirtschaft passieren Dinge. Weltwirtschaftskrise, Corona, Putin, Trump. Die Resilienz Deutschlands ist nicht wirklich besser geworden.

Die Qual der Wahl: kein Happy End in Sicht?

So, lieber Leser und Leserinnen. Jetzt haben wir den Salat. 4 Methoden, alle belegt inneffektiv. Aber warum ist der Umgang mit der AfD eigentlich so schwer?

Weil die AfD eben nicht nur ein politischer Gegner wie jeder andere ist. Sie ist, wie nun bestätigt, eine gesichert rechtsextremistische Bestrebung. Sie agiert bewusst mit Provokation, Polarisierung und der Delegitimierung demokratischer Institutionen, um den Diskurs zu verschieben und eine eigene Parallelöffentlichkeit zu schaffen.Wir reden über Entfremdung von der Politik, über Anti-Establishment bis hin zu einer tatsächlichen Zustimmung zu autoritären, rassistischen und nationalistischen Positionen. Eine simple Strategie wird dieser Komplexität nicht gerecht. Die Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ verschärft das Dilemma nun zusätzlich: Ein einfaches Ignorieren ist kaum noch zu rechtfertigen, eine Anbiederung wäre fatal, aber auch die reine Konfrontation birgt Risiken – sie kann den Opfermythos der AfD befeuern und zur weiteren Radikalisierung beitragen.  

Vielleicht liegt das Kernproblem aber noch tiefer. Alle vorgestellten Strategien sind primär reaktiv. Sie kreisen um die AfD, versuchen, sie zu managen, ihre Wähler zurückzugewinnen oder ihre Wirkung einzudämmen. Sie lassen sich die Agenda von der AfD diktieren. Solange die etablierten Parteien aber hauptsächlich auf die AfD reagieren, statt proaktiv eine eigene, positive und überzeugende Vision für alle Bürgerinnen und Bürger zu entwickeln und umzusetzen, geben sie der AfD indirekt Macht. Eine wirklich erfolgreiche Strategie müsste vielleicht darüber hinausgehen, die AfD nur zu bekämpfen. Sie müsste die Ursachen für ihren Erfolg – den Vertrauensverlust in die Politik, die soziale Spaltung, die Zukunftsängste – mit glaubwürdiger, transparenter gerechter und zukunftsorientierter Politik adressieren, ohne dabei die Narrative der Extremisten zu übernehmen. Die bisherigen Ansätze wirken dagegen oft wie reine Symptombekämpfung.  

Schlussakkord

Tja, liebe Demokratiefreunde, das war’s für heute von „Herzblatt für Strategen“. Eine klare Entscheidung? Ein Traumpaar in Sicht? Fehlanzeige! Es bleibt ein Ringen, ein Suchen, ein politisches Vabanquespiel. Für welche Taktik sich unsere Kandidaten und ihre Parteien am Ende entscheiden werden und ob daraus die große Liebe zur demokratischen Stabilität erwächst wird die Zukunft zeigen.

Volt und die Bundestagswahl

Keine Zeit zu schreiben

In letzter Zeit gab es viel zu tun und so war die Zeit, den Blog zu füllen eng bemessen. Einerseits lief das Sammeln der Unterstützungsunterschriften für Volt weiter. Andererseits startete die Kampagne, eine Spitzenkandidatin wurde gekürt und das Wahlprogramm wurde beschlossen. Aber der Reihe nach.

Unterstützungsunterschriften

Das Sammeln der Unterstützungsunterschriften ist eine Aufgabe im Wahlgesetz um die Relevanz einer Partei zu beweisen. In einigen Bundesländern wird Volt schon auf dem Wahlzettel stehen und wir sind auf einem guten Weg, dass es uns überall gelingt. Zudem sammeln auch unsere Direktkandidaten gerade Unterschriften. Es ist schon Wahnsinn, wie viele engagierte und tolle Menschen sich für uns aufstellen lassen. Von Christian, der im Wahlkreis 1 in Flensburg gegen Robert Habeck antritt, über Pedro in Tübingen, Sina aus Dresen bis hin zu Imkeri in Aalen-Heidenheim. Jede und Jeder wäre ein Gewinn für den angestaubten Bundestag.

Wer diese noch nicht unterstützt hat, ich würde mich freuen, wenn ihr das macht. Auf unserer Seite findet man alle Formulare und Informationen dazu.

Kampagne

Holen wir uns die Zukunft zurück. Das haben unsere Listen- und Direktkandidaten vor.

Echter Klimaschutz, bezahlbares Leben, europäische Lösungen und eine grüne und smarte Zukunft für die Wirtschaft. Nicht mehr und nicht weniger haben wir uns da vorgenommen.

Spitzenkandidatin

Mit der Dezernentin für Smart City, Europa und Ordnung aus Wiesbaden haben wir mit Maral Koohestanian eine Frau an die Spitze gewählt, die schon politische Erfahrung mitbringt. Und die auch gut reden kann. Wer sich vom Angriffswillen überzeugen will, der kann gerne das Video vom Take-Off in Berlin anschauen.

Die etablierten Parteien hatten jahrzehntelang Zeit. Das Ergebnis sind Digitalisierungsrückstand, Bildungskrise und politischer Stillstand. Mit Volt zieht eine neue Generation in den Bundestag ein, die nicht nur redet, sondern Probleme löst.

Ich bin Teil der Generation, die den Preis für den politischen Stillstand zahlen wird. Wir können es uns nicht mehr leisten, die Zukunft zu verspielen

Maral Koohestanian

Wahlprogramm

Und wenn man nun die Unterschriften und eine Spitzenkandidatin hat, so braucht man auch ein Wahlprogramm. Das wurde intensiv, weil in verkürzter Zeit durch das Ampelaus, ausgearbeitet und nun endlich beschlossen.

Es wird wohl in den nächsten Tagen veröffentlicht und den 5+1 Herausforderungen, die Volt angehen will, gerecht werden.

  • Ein intelligenter Staat

Bildung und Digitalisierung sind Schlüsselelemente des 21. Jahrhunderts.

  • Wirtschaftliche Renaissance

Eine innovative Wirtschaft ist der Motor für den Fortschritt der Gesellschaft.

  • Soziale Gleichberechtigung

Niemand sollte zurückgelassen werden – ungeachtet von Geschlecht, Einkommen, Religion oder Herkunft.

  • Für globalen Ausgleich

Europa muss seiner Verantwortung in der Welt zur Sicherung unserer gemeinsamen Zukunft gerecht werden.

  • Politisch aktive Bürgerschaft

Die europäischen Bürger*innen müssen dazu in der Lage sein, fundierte politische Entscheidungen zu treffen, selbstständig über Wahlen hinaus Einfluss auf die Politik zu nehmen und ihre demokratischen Rechte auszuüben.

  • EU Reform

Wir lieben die EU – das heißt aber nicht, dass es keinen Raum für Verbesserungen gibt.

Der 9. November

Korrektur

Erstmal vorneweg eine Korrektur zu gestern. Da schrieb ich, dass die Grünen keine Eintritte meldeten. War auch gestern noch irgendwie richtig, heute meldeten sie jedoch 1000 neue Mitglieder in einer Woche. Das ist natürlich deutlich mehr als die gestern vermeldeten Zahlen von SPD und FDP. Folgt auch einer Tendenz die man in der Schweiz beobachtet, hat also weniger mit dem Ampel-Aus zu tun. Ist eher eine Reaktion auf den Sieg von Donald Trump. Parteimitgliedschaft als Coping Methode. Ist nicht die schlechteste Entwicklung.

Reichspogromnacht

Es ist unglaublich schwierig, da irgendwas schlaues zu dem Thema zu sagen. Gestern noch der Bericht der Jagdszenen aus Amsterdam. Heute taucht dann der Bericht über die Jagdszenen auf jugendliche jüdische Fußballer in Berlin in der Timeline auf. Da irgendwie auf „nie wieder ist jetzt“ zu skandieren, geht doch arg an der Realität in Europa vorbei.

Zu normal ist es mittlerweile geworden nach unten zu treten, gegen Menschen mit anderem Glauben, anderer Herkunft, anderer Sexualität und gegen Arme und gegen Menschen mit Behinderungen.

Comeback der Bändchen

Willkommen im Wahlkampf. Genauer gesagt im Online-Wahlkampf. Habeck ist zu Twitter zurückgekehrt um sich mit Lindner zu battlen. Die SPD proklamiert die Küchentischgespräche als ihre Idee und die Linke nimmt den Spot von Habeck auf die Schippe. Und präsentiert damit einen Frame (kurz eingeblendetes Bild) mit einem Buchstabenbändchen, auf dem das Wort INHALTE erkennbar ist. Schwierig jetzt mit verkürzter Vorbereitungszeit auf die Neuwahlen auch wirklich noch Inhalte auszuarbeiten. Da geht es einfach nur mit Persönlichkeit und Sympathie. Oder eben einer Schippe Humor

Sachsen und die Minderheit

Nachdem es ja in Sachsen zum Abbruch der Koalitionsgespräche zwischen CDU, SPD und BSW kam, geht der Trend Richtung Minderheitsregierung. Da gibt es jetzt keine Kröten mehr zu schlucken. Da geht es Richtung Handlungsunfähigkeit.

Nachbeben vom Ampelaus

Als ich begonnen habe, über Politik zu schreiben, wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass es eine Woche gäbe, die so unglaublich voll ist von Ereignissen, dass ich gar nicht wüsste womit ich einen Beitrag beginne. Aber hey, das ist nun so eine Woche. Gestern großer Trubel um das Ampel aus, heute überschlagen sich die Ereignisse erneut.

Das Leiden hat ein Ende

Oft macht man die Stimmung an Mitgliederzahlen aus. Nach dem gestrigen Tag vermelden die Ampelparteien Mitgliederzuwächse. SPD 500, FDP 650, Volt 200 neue Mitgliedsanträge an einem Tag. Das hat natürlich auch den Hintergrund, dass nun durch vorgezogene Neuwahlen eine gewissen Hektik und Handlungsschnelligkeit bei den Parteien herrscht. Da müssen Aufstellungsversammlungen vorgezogen werden, da werden Prozesse pragmatisch gehandhabt und beschleunigt, da schaut man manchmal auch nicht so genau hin. Das setzt zum Beispiel auch die abtrünnige grüne Jugend unter Druck, die ja eigentlich noch den Trennungsschmerz verarbeiten wollte und sich nun einer Do-or-Die Situation ausgesetzt sieht. Und auch andere Akteure wie Luca Barakat, den jungen bayrischen Klima- und Queeraktivisten. Man muss ich positionieren und zwar schnell. Und da passiert etwas total spannendes. Klimaaktivisten zieht es nicht mehr primär zu den Grünen.

Die unüberaschendste Kanzlerkandidatur ever

Seit Monaten, wenn nicht Jahren, ist #Habeck4Kanzler ein immer wiederkehrender Trend bei Twitter. Nun hat gestern Robert Habeck sein Comeback bei Twitter gefeiert. So postete er ein kryptisches Video, dass gewissen Parallelen zu Christian Lindner hatte. Mit weit eingebauten Frames, die bei seinem Besuch bei Markus Lanz thematisiert wurden. Das der nächste Kanzlerkandidat der Grünen Robert Habeck heißt, das überrascht keinen. Niemanden. Man kann die letzten zwei Jahre auf einer einsamen Insel verbracht haben, zum ersten Mal wieder eine Zeitung lesen, lesen das Habeck es macht und würde trotzdem nicht überrascht sein. Vielleicht ob der Plumpheit.

Plump? Ja plump! Wenn wir alle ehrlich sind, dann war der Bruch der Koalition eine Frage der Zeit. Jeder war also gut beraten, einen Plan B in der Hinterhand zu haben. Und dieser wird dann bei Bedarf gezogen. So veröffentlichte die Grüne Jugend heute ein Video mit der neuen Vorsitzenden Jette Nietzard, wo sie sich das T-Shirt auszieht. Erklärt mir mal die Message außer Provokation!

@gruene_jugend

Ciao FDP 👋 – hallo soziale Politik 🤝 Auch wenn sich die Nachrichten über den Rausschmiss Christian Lindners und der FDP aus der Bundesregierung ziemlich krass anhören, bedeuten sie nicht (nur) Probleme und Unsicherheit. Vielmehr ist es jetzt endlich wieder möglich, eine Politik zu machen, die sich darum kümmert, dass es allen Menschen gut geht und nicht nur den Superreichen. Endlich ist es wieder möglich konsequenten Klimaschutz zu machen, ohne auf die Porsche von Lindners Freunden Rücksicht zu nehmen. Endlich wird nicht mehr von uns gefordert, unsere Zukunft einem grundlosen Spardiktat zu opfern. Also kein Grund zur Sorge! Machen wir uns auf in die gute Zukunft für Alle! ✨#gruenejugend

♬ original sound – kaylee

Dann haben wir die designierte neue Vorsitzende Franziska Brantner, die ebenso wie Annalena Baerbock und andere Videos mit dem Buchstabenbändchen „Kanzler ERA“ oder „Habeck ERA“ hochlud. Nachdem Taylor Swift ja ein Globales Phänomen ist, wird mittlerweile das Wort ERA sogar mit dieser Person verknüpft. Diese wurde ja bekannterweise geradezu bedrängt sich zum Präsidentschaftskampf in den Staaten zu äußern, den Erfolg haben wir ja alle erlebt. Wie lustig wäre es gewesen, wenn diese ganzen vorbereiteten Videos die Neuauflage von Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“ hinterlegt gewesen wäre. Dieser hat nämlich, nachdem er es der CDU untersagt hat, auch den Grünen nahegelegt, dieses Lied nicht mehr zu nutzen.

Robert Habeck wird Kanzlerkandidat der Grünen und das ist auch vollkommen okay. Ich bin da echt gespannt, wie das Programm und der Wahlkampf aussieht. Aktuell stellt es sich so dar, dass man in vorauseilendem Gehorsam sehr bürgerlich und koalitionsfähig wirken möchte. Wenig mutig. Wenig sozial. Wenig nach außen. Deswegen sind bei den Neuantritten oben die Grünen auch nicht vertreten.

Zeitplan der Neuwahlen

Ich habe ja schon vorhin über dem besonderen Druck von vorgezogenen Neuwahlen geschrieben. Erwartungsgemäß drängen die Oppositionsparteien auf noch frühere Neuwahlen. Das hätte einige Auswirkungen. Parteien, die nicht im Bundestag vertreten sind, müssten Unterstützungsunterschriften sammeln. Wir von Volt genauso wie zum Beispiel die Piratenpartei oder das BSW. Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass diese Manöver voll allem gegen letztere richtet, so befindet sich das Marketingvehikel von Sahra Wagenknecht ja noch im Aufbau. Aber es betrifft auch andere. Und deswegen äußert sich die Bundeswahlleiterin auch kritisch, weil ein guter Teil der Wahlvorbereitungen in den Winter und insbesondere in die Weihnachtszeit fallen würde. Von den Regeln, was Neuwahlen angeht, wäre alles in Ordnung. nur anständig wäre es nicht.

Wissing, der Brutus der Neuzeit

Man kann von dem Move, den Wissing gebracht hat, halten was man will. Aktuell stehen die Zeichen auf Verrat, da helfen auch alle „Verantwortung“ und „Brückenbauer“- Beteuerungen nichts, Treppenwitz der Geschichte ist, dass seine Homepage umgehend zu einer Weiterleitung für den FDP-Mitgliedbeitritt umgeleitet wurde.

Union der Gewinner?

Man könnt ja meinen, dass die Union der große Gewinner wäre, wäre da nicht diese unerträglichen Störgeräusche. So sagte der womögliche neue Kanzler Friedrich Merz, dass er sich einen Finanzminister Christian Lindner vorstellen kann. Zudem ergab eine Befragung für das Politbarometer, dass es für die aktuell im Osten verhandelten Koalitionen im Osten keine Mehrheit gibt. Unter den Unionern noch weniger als im Rest des Landes.

Alptraum von Amsterdam

Ich bin ja selbst Fußballer. Altherrenfußballer, aber ich erhebe schon den Anspruch, dass es irgendwie die gleiche Sportart ist. Ich kenne Derbies, ich kenne Anspannung. Aber was da in Amsterdam passiert ist, hat nichts mit alledem zu tun. Nach dem Spiel Maccabi Tel Aviv gegen Ajax Amsterdam gab es Szenen, die nichts mit Fußball zu tun haben.

Da ging es um Israel, Juden und den Konflikt der da gerade herrscht. Da sind Menschen mobil durch die Stadt gezogen um gezielt Israelis und Juden zu suchen, zu verprügeln und zu entführen. Das hat nichts mit Israel-Kritik zu tun. Das ist Wahnsinn, der in Europa keinen Boden finden darf.

Der Cem, der Kevin, der Alfonso und der Jens

Über das Interview von Cem Özdemir schrieb ich ja schon einiges.

Das Interview

Nun gab Kevin Kühnert im Spiegel ein Interview. Tagesspiegel berichtete auch in Auszügen darüber, ohne Paywall. Klar waren die Themen die vergangenen Wahlen, wer Kanzlerkandidat wird, den offenen Brief der SPD-Mitglieder und die Arbeit der Ampel.

Und am Ende geht es um den Gastbeitrag von Cem Özdemir. Dabei sagt er vor allem zwei Sachen: Dass es einen gewaltigen Unterschied macht, ob man die Erlebnisse seiner Tochter ernst nimmt und präzise den muslimisch geprägtem Sexismus und Chauvinismus benennt. Im Gegensatz zu einem Söder, der diese Präzision komplett vermissen lässt. Und zum anderen, dass er als homosexueller Mann von muslimisch gelesenen Männergruppen eher einen homophoben Spruch gedrückt bekommt. Sofort gefolgt von

Natürlich ist der Großteil der Muslime in meinem Wahlkreis nicht homophob. 

Kevin Kühnert

Sagen wir es, wie es ist. Es ist eine komische Zeit für queere Menschen. Lange gab es eine stete Verbesserung der Akzeptanz. Von Merkels Homo-Ehe bis hin zum Selbstbestimmungsgesetz. Es ist einiges passiert, noch ist der Weg nicht zu Ende gegangen, aber ein gutes Stück liegt hinter uns. Aber die Aussichten sind düster. Der Aufwind der AfD kommt auch mit queerfeindlichen Aussagen und Forderungen einher.

Für viele war Kevin Kühnert als Ally wenig sichtbar. Wir von Volt hatten ja mit der SPD zur Landtagswahl in Sachsen eine Kooperation. Kevin Kühnert war in Dresden beim CSD und das war das erste Mal, dass ich davon hörte, dass er homosexuell ist. Geoutet hat er sich aber schon 2018 und schon damals gab es kein großes Aufhebens deswegen.

In der SPD, wie ich sie erlebe, ist die Sexualität vollkommen egal. Interessiert keinen. Wir sind fünf queere Evolutionswellen weiter.

Kevin Kühnert

Wie aufgeladen das Thema aktuell ist, habe ich selbst bei Twitter, auch X genannt, erlebt. Eine in meinen Augen harmlose Umfrage, wird wenig überraschend von vielen meiner Peergroup mit „ist doch egal“ beantwortet. Ist es auch, absolut. Aber man wird schon für die Verwendung des Wort homosexuell in eine homophobe Ecke katapultiert. Bleibt doch mal locker.

Der Queerbeauftragte

Weniger unbekannt ist die Homosexualität von Alfonso Pantisano, dem Queerbeauftragten in Berlin. Der gilt gemeinhin als umstritten, was eine schöne Beschreibung ist, für „der haut gerne mal einen raus“. Und so hat er jetzt auch mal wieder einen rausgehauen. Lieber Kevin, echt jetzt? titelte er. Antimuslimischen Rassismus warf er Kühnert vor. Und heizte damit die Debatte, die sowieso schon nach den Aussagen von Kühnert entbrannte, nochmal an.

Darf er das? Das ist die Frage.

Darf der Kühnert einfach so sagen, dass es eine erhöhte Tendenz zur Queerfeindlichkeit bei Konservativen und religiös Fundamentalen gibt?

Und darf der Pantisano einfach so sagen, dass man darüber nicht (so) reden darf?

Gerade nach dem Gastbeitrag von Cem Özdemir war doch jedem eigentlich klar, dass es sich um ein unglaublich sensibles Thema handelt. Da bemüht sich jemand um möglichst präzise Formulierung und nennt Probleme die existieren, ohne in irgendwelche Stereotype abzugleiten. Und erhält dafür auch sehr viel Zuspruch.

Was Kevin Kühnert benennt, erleben so viele LGBTIQ* am eigenen Leib in so vielen Teilen Berlin und selbst im Regenbogenkiez. Darüber müssen wir doch reden.

Erik Jödicke,

Und der streitbare Queerbeauftragte bekommt ordentlich Gegenwind, sowohl in der Partei, als auch in den Verbänden.

Aber ist das schon das Ende des Liedes? Ich denke nicht. Weil Pantisano auch so ein bisschen Grenzen abstecken will. Wir haben eine durch die Regierungsarbeit in der Ampel geschwächte SPD, die sich auch wahltaktisch den Konservativen anbiedert. Da hat man nicht wirklich Angst vor einem Kevin Kühnert, der in der Partei großen Rückhalt genießt. Da hat man Angst, vor dem Nächsten. Mit all den Positionskorrekturen, die als Rechtsruck verstanden werden können, ist die Angst allgegenwärtig. Und das ist das Problem.

Der Rücktritt

Unabhängig von der ganzen Diskussion gibt Kevin Kühnert kurz danach seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen bekannt. Nochmal an dieser Stelle, Gute Besserung.

Der Jens

Wie fein die Klingen von Cem Özdemir und Kevin Kühnert sind, wird einem erst dann klar, wenn man mal wieder jemanden anhört, der diese Kunst nicht beherrscht. Einem der auch mal wieder einen raushauen will. Einem, der bei die Rassismus-Debatte viel eher verlieren wird: Jens Spahn.

Der reflexhafte Rassismus-Vorwurf ist Unsinn. Es ist schlicht die Realität: Deutschland ist durch irreguläre Migration homophober, frauenfeindlicher und gewaltaffiner geworden.

Jens Spahn

Der Cem, seine Tochter und der Merz

Es ist die Metaebene. Zwischen den Zeilen steckt oft mehr als in ihnen.

Es ist immer noch die Woche nach den Wahlen, Zeit der Analysen und Weichenstellungen für die Bundestagswahl. Vieles schrieb ich schon hier.

Doch was aktuell in der Diskussion hoch hergeht, ist der Gastbeitrag von Cem Özdemir in der FAZ. Jeder, der meine Analyse dazu nachvollziehen mag, der sollte zunächst vollständig seinen, jetzt ohne Paywall verfügbaren, Gastbeitrag lesen.

Demokratie lebt vom Diskurs

Jeder, der sich vor einer Wahl für eine Partei entscheiden soll und zum Beispiel den Wahl-o-mat bemüht, steht vor einem Problem: es ist fast unmöglich, dass eine der Angebote zu 100% mit den eigenen Überzeugungen übereinstimmt. Genauso geht es all den Menschen, die sich glücklicherweise dafür entscheiden, politisch aktiv zu werden. Und so lebt der Wähler und der politisch Aktive immer mit einem Kompromiss. Und so ist es auch überhaupt nicht verwunderlich, dass es innerhalb einer Partei dann bei einigen Themen sehr schnell geht, sich zu einigen. Bei anderen Themen gibt es grundsätzlich Konfliktpotential.

Eines der Themen, welches gerade am meisten polarisiert, ist das Thema Migration. Grundsätzlich gibt es angesichts der Erfolge der AfD und der Wichtigkeit des Themas bei den Bürgern, in welcher Korrelation die auch immer zueinander stehen, das größte Potential für Konflikte. Gehen wir mal durch die zwei Parteien, die für meine Analyse entscheidend sein werden.

CDU

Bei der CDU wurde das ganze entschieden. Es gab die Ära Merkel, es gab den Spruch „wir schaffen das“ und es gab den Abgang von Angela Merkel. Der als Nachfolger des Weges positionierte Kanzlerkandidat Armin Laschet scheiterte. Ob es am falsch platzierten Lachen lag oder am Programm, man weiß es nicht. Es ist aber normal in einer Partei, die sehr breit aufgestellt in den Themen, solche Niederlagen gerne auch auf die Positionierung eines Teils der Programmatik geschoben wird.

Fakt ist, dass mit der Kombination Merz und Linnemann jetzt zwei Männer in den entscheidenden Positionen sind, die sehr bewusst mit der Ära Merkel brechen und ihr Heil darin suchen, beim Thema Migration sehr viele Restriktionen zu fordern. Dass hier teilweise eine grenzwertige Rhetorik an den Tag gelegt wird, ärgerlich, verwerflich, aber geschenkt, denn am Ende bewegt man sich immer im Rahmen der gesetzlichen Rahmenbedingungen. So weh das einem tut.

Verfolgt man nun das Vorgehen, so schlägt Merz stetig verbal auf die Grünen ein. Nicht auf die FDP, mit der man schon Regierungen gebildet hat, nicht auf die SPD, mit der man große Koalitionen bildete. Auf die Grünen, mit der man bundespolitisch noch nie etwas gestartet hat.

Davon kann man halten, was man will. Im Endeffekt hat die Ampel beständig in den Umfragen verloren. Die FDP wird aktuell kein Teil des neuen Bundestages sein. SPD als Juniorpartner funktioniert irgendwie. Die Grünen hat man jetzt jahrelang wie ein Schnitzel weichgeklopft.

Und nun, wo sie „weich“ sind, öffnet man den Spalt ein wenig, eine Koalition ist nicht mehr per se ausgeschlossen, sondern nur noch „derzeit“.

Die Grünen

Ich habe ja schon einiges über die Reaktionen der Grünen geschrieben.

Und jetzt kommt der Text von Cem Özdemir. Cem ist eine Instanz bei den Grünen. Es würde schwer werden, irgendwas an Cem zu finden, was so richtig doof ist. Cem hat seine Wahlkampftour Cem-Trails genannt. Cem ist der erste, der das bisherige Handeln öffentlich hinterfragt hat. Cem ist ein absoluter Gewinn für die Grünen.

Nach seinem Text wird ihm vieles unterstellt, rassistisch, sexistisch und kartoffelig. Die Diskussion ist dermaßen aufgeladen, das hier oftmals über das Ziel hinaus geschossen wird. Ich sehe nichts davon bei ihm.

Aber ich sehe, dass er hier 2 Punkte setzen will

Cem ist Vater

Das größte Problem der Grünen ist zur Zeit die Jugend. Die grüne Jugend die mit dem Parteikurs nicht zufrieden ist und austritt. Die jungen Wähler, die statt grün die AfD wählen. Die Jugend die sich nicht gehört fühlt. Wie cool eigentlich, dass dann ein Politiker dann sehr ehrlich über die Gespräche mit seiner Tochter berichtet.

Seien wir sehr ehrlich. Solingen und der siebente Oktober waren eine Zäsur. Auf der einen Seite, Solingen, haben wir einen islamistischen Anschlag. Monate vorher, der siebente Oktober, hatten wir einen antisemitischen Terroranschlag, der auch in vielen Orten außerhalb Palästina gefeiert wurde.

Es ist fast schon ausgeschlossen, dass irgendjemand in der Familie, auf Arbeit oder im Sportverein oder wo auch immer, sich diesen Diskussion entziehen konnte. Und so auch dort, wo Jugendliche miteinander reden. Und das ist bei weitem nicht nur TikTok.

Auch wenn ich den Eindruck habe, dass Solingen auch eine Art Korkenöffner war, wo sich plötzlich zahlreiche Leute äußerten, die sonst unter der irgendeiner Prämisse „das darf man nicht sagen, da halten mich die Leute für rechts“. Vielleicht war das ja auch, zumindest für den Diskurs, ein reinigendes Gewitter. Denn vieles, war einfach nur das, was man erlebt hat. Da gibt es keine Wertung.

Das Signal, dass Cem mit seiner Tochter spricht und sich mit den Erfahrungen seiner Tochter und der seiner Freundinnen auseinandersetzt, ist ehrlich. Es ist authentisch. Es bricht mit der Erzählung, dass die Grünen alles nur erklären wollen. Dass sie der Jugend bei solchen Berichten eine TikTok-gebräunte Scheinrealität unterstellen und mehr Medienbildung fordern. Er hört zu und zeigt Empathie. Er macht sich Sorgen, wie seine Tochter und deren Freundin.

Cems Bericht über das Gespräch mit seiner Tochter bricht mit der Erzählung, dass die Grünen der Jugend bei solchen Berichten eine TikTok-gebräunte Scheinrealität unterstellen und ständig alles erklären wollen.

Baden-Württemberg

Jetzt aber zu BW. Ich glaube das Cem hier ganz bewusst nicht sagt, dass Deutschland seine Heimat ist, um auf etwas hinzuweisen. Baden-Württemberg hat den ersten, einzigen und wohl auch vorerst letzten Ministerpräsidenten der Grünen, Winfried Kretschmann. Und der regiert dort mit der CDU, die sogenannte Kiwi. Das kriegt man nur selten mit, denn der Herr Kretschmann ist kein Dampfplauderer. Keiner der draufhaut. Einen großen Teil der Bekanntheit außerhalb BW errang er durch den „Waschlappen“

Auch in BW gibt es Migration und es gibt Regeln für diese. Und die sind dort teilweise härter als anderswo. Es gibt einen „Sonderstab Gefährliche Ausländer“ und die priorisierte Abschiebung kriminell Gewordener.

Zudem brachten sie zusammen mit dem schwarzgrünen Nordrhein-Westfalen und dem schwarzgrünen Schleswig Holstein einen Antrag mit dem Titel „Ordnung, Steuerung, Begrenzung und Humanität in der Migrationspolitik sicherstellen“ in den Bundesrat ein. Wer sich selbst ein Bild machen will, im März diesen Jahres gab es den Brandbrief von Ludwigsburg.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/kretschmann-fluechtlinge-aufnahme-migration-100.html

Der grüne Ministerpräsident klingt so gar nicht nach den jungen Grünen, die noch am Anfang des Jahres bei den Demos gegen Rechts skandierten „kein Mensch ist illegal“. Nicht nach Ricarda Lang, deren Herz der sozialen Gerechtigkeit gehört. Kretschmann ist altmodisch, bedächtig und konservativ.

Und das es einen Teil bei den Grünen gibt, der ebenso denkt, das möchte Cem hier Richtung Friedrich Merz senden.