Wonach habt ihr zuerst im Koalitionsvertrag geschaut?

Auch wenn im Wahlkampf viel über das Thema Migration und Sicherheit gesprochen wurde, führte die Suche nach Themen im Koalitionsvertrag zu einem besonderen Thema: der Rente. In Zeiten des demografischen Wandels, ich nenne es ja gerne auch demografischen Unheil, wachsender Altersarmut und einer zunehmend belasteten jungen Generation ist die Frage nach der Zukunft der Altersvorsorge drängender denn je. Doch der neue Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enttäuscht in diesem zentralen Punkt völlig.​

Warum die Rente so wichtig ist – und warum die Zukunft ungewiss bleibt

Die gesetzliche Rente ist das Rückgrat der sozialen Sicherheit in Deutschland. Doch mit einer alternden Bevölkerung, sinkenden Geburtenraten und einer wachsenden Zahl von Rentnern steht das System unter Druck. Zudem steigt durch medizinischen Fortschritt die Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer stetig. Alleine fast 10 Jahre in den letzten 30 Jahren .Laut dem Mercer CFA Institute Global Pension Index 2024 liegt Deutschland im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld, insbesondere aufgrund mangelnder Nachhaltigkeit des Rentensystems. ​

„Die Rente bleibt stabil“ – aber wie?

Im Koalitionsvertrag wird das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent garantiert. Doch wie diese Stabilität finanziert werden soll, bleibt unklar. Ein Finanzierungsvorbehalt für alle Maßnahmen wird betont, was die Umsetzung generell fraglich macht. Statt konkreter Pläne werden Kommissionen gegründet – ein Zeichen fehlenden Mutes zur echten Veränderung. ​Man verschiebt die Probleme in die Zukunft und macht damit die ohnehin nötigen Veränderungen gravierender.

Die Rente ist sicher.
Norbert Blüm​

Frühstart-Rente

Die Einführung einer „Frühstart-Rente“ ab 2026, bei der für jedes Kind in Ausbildung zwischen 6 und 18 Jahren monatlich 10 Euro in ein kapitalgedecktes Vorsorgedepot fließen sollen, klingt gut. Doch angesichts der Herausforderungen des Rentensystems wirkt diese Maßnahme wie Symbolpolitik ohne echten Effekt. Das liegt vor allem an den gravierenden bewussten Rechenfehlern. Wenn die Kinder ihre 10 Euro pro Monat bekommen und dann die Renditeerwartungen eintreffen, kommt man auf einen Betrag von 36.000 €. Das klingt irgendwie schön und erstmal nach einer Menge Geld. Was komplett ignoriert wird ist dabei die Inflation oder auch Kaufkraftverlust. Zu Deutsch: man hat zwar den Betrag von 36.000€ in der Tasche, dieser ist aber etwa das Wert, was heute 5.000€ sind. Und was soll man mit diesen 5.000 € machen? Bei 18 Jahren Rentenbezug reden wir hier von 23 € mehr im Monat!

Aktivrente: Einseitige Entlastung ohne Systemwirkung

Die geplante „Aktivrente“, bei der Rentner bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können, soll Anreize für längeres Arbeiten schaffen. Das ist eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Schon jetzt ist es in der Wirtschaft von Nöten, dass man mit Arbeitgebern, deren Rentenzeit bevorsteht spricht. Ob die Arbeitskraft/Expertise dann in Altersteilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung erhalten bleibt. Nur auch das ist nicht in unendlichem Maße möglich. Irgendwann hat es jeder in dem Alter auch verdient, seinen Lebensabend ohne Arbeit zu genießen.

Lösungsansätze: Dynamisches Renteneintrittsalter?

Die paneuropäische Partei Volt Deutschland schlägt ein dynamisches Renteneintrittsalter vor, das sich an der durchschnittlichen Lebenserwartung orientiert. Solche Ansätze können helfen, das Rentensystem nachhaltiger zu gestalten.​ Das Deutsche Institut für Altersvorsorge resümierte:

Für diesen Vorschlag plädieren schon seit Jahren renommierte Wissenschaftler. Auch das Deutsche Institut für Altersvorsorge tritt dafür ein.

Die Politik steht in der Verantwortung, nicht nur populäre Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch notwendige Reformen anzugehen. Vor der Wahl hatte die Union den Mut dazu, solche Forderungen aufzustellen. Ein Linnemann zum Beispiel schlug vor, den Renteneintritt an die Lebenserwartung zu koppeln.

Die aktuelle Koalition scheint jedoch den Mut zu echten Veränderungen zu scheuen.​

Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe der Politiker ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.

Walter Scheel, ehemaliger Bundespräsident

Lösungsansatz: Eine Rente für alle

Auch die Idee, eine Rentenkasse für alle einzuführen findet sich bei Volt Deutschland, eine Idee, die mittlerweile auch gesellschaftliche Mehrheiten findet. Insbesondere, da die Höhe der Pensionen für Beamte immer wieder für Diskussionsstoff und Gerechtigkeitsdebatten sorgt.

Fazit: Eine verpasste Chance – besonders für die Jugend

Der Koalitionsvertrag bleibt beim Thema Rente vage, unkonkret und weit hinter den Erwartungen zurück. Für die junge Generation bedeutet dies Unsicherheit und die Aussicht auf ein instabiles Rentensystem. Laut MDR Fragt glauben nur noch 8% der jungen Menschen an das Blüm’sche Versprechen. Gleichzeitig werden diese die Kosten für die verfehlte Politik tragen müssen, Steigerungen in den Rentenbeiträgen werden nicht ausbleiben.

Ich war ja selbst im Wahlkampf sehr viel unterwegs und es ist unglaublich, wie viele junge Menschen das Thema Rente sehr weit vorne in den Prioritäten sehen. Und diese Wählergruppe verliert die Union und auch die SPD in ihrem Verwaltungsmodus immer weiter aus den Augen. Statt echter Reformen gibt es nur Versprechungen ohne Substanz.​ Ungeachtet des demografischen Unheils. Mit Volldampf gegen die Wand. Deutschland 2025.

Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Konfuzius​

Kitakrise und Kitastreik in Berlin

Ich bin so alt, ich erinnere mich noch an eine SPD als Partei der Arbeitnehmer. Die Partei der Gewerkschaften. Ja, ich bin alt.

Kinderbetreuung ist kein Geschenk an die Eltern, sondern an die Wirtschaft.
Oliver Welke, Heute Show, 14.10.2022

Kitakrise äußert sich in Deutschland in unterschiedlichen Ausprägungen, da ist die alte Grenze zwischen Ost und West noch deutlich erkennbar. Und Berlin tickt sowieso noch mal anders.

Fakt ist, läuft es nicht in den Kitas, darum ergibt das Probleme für die Eltern, wenn diese berufstätig sind und schließlich auch für die Betriebe. Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie kommt zu dem Schluss, dass Investitionen in die Infrastruktur nötig sind. Kitas, Schulen und Hochschulen gehören nach eigenen Angabe dazu und machen über ein Viertel der vom Industrieverband geforderten Investitionen von 400 Milliarden aus.

Die Unternehmen haben ein hohes Eigeninteresse daran, dass Kinderbetreuung gut und regelmäßig stattfindet. Dass beweist auch die ständig steigende Anzahl von Betriebskitas und den betrieblich gebuchten Plätzen in Kitas, die „Betriebskita light“.

Insofern ist es schäbig, dass die SPD in Berlin hier versucht, Kitas gegen Unternehmen auszuspielen. Die Anwalt der Arbeitnehmer war einmal.

Anyway, haben wir da nicht die Eltern vergessen? Ich denke nicht!
Als Vorsitzender eines Kita-Elternbeirats sehe ich, dass die Eltern genau wie die Unternehmen und die Kita-Angestellten wollen, dass es ihrem Kind in der Fremdbetreuung gut geht. Und das geht eben nur, wenn es der Betreuung gut geht. Ich bin kein Mediziner, aber ein Freund der Zahlen. Wenn es in diesem Berufsfeld zu massiv über dem Schnitt liegenden Krankheitsausfällen, viele durch Überlastung, kommt, dann läuft da etwas schief.

Der Schlüssel ist der Schlüssel

Ganz Kurz, der Betreuungsschlüssel gibt an, wie viele Kinder eine Erzieherin betreut. Der Ü3 (Kinder über 3 Jahre)Schlüssel sollte laut Experten bei 7,5 liegen. Da ist Berlin schon nah dran, hat aber wie viele (alte) Bundesländer mit solch einem Schlüssel das Problem, das dafür benötigte Personal zu finden. Was dann bleibt ist Vertretung, Überlastungsanzeigen und Burnout. Auch wenn es in den letzten Jahren viele Verbesserungen gab, was das Thema Ausbildung angeht, so fehlt das Personal.

Der Schlüssel im Osten

Kitakrise im Osten sieht dabei komplett konträr aus. Nicht zuletzt durch die Wahlen in den neuen Bundesländern wurde ein Fokus gelegt auf viele regionale Besonderheiten wie Altersstruktur oder geringe Geburtenrate. Was selten thematisiert wird, ist das Vermächtnis der DDR, was den Betreuungsschlüssel angeht. Erinnern wir uns, der von Experten empfohlene Schlüssel liegt bei 7,5. In der DDR lag dieser bei 13. Und Sachsen hat es geschafft, diesen Schlüssel in bald 35 Jahren auf Trommelwirbel 12 zu senken.

12, zwölf, eine Erzieherfachkraft in Sachsen betreut deutlich mehr Kinder, fast doppelt so viele, wie eine Erzieherfachkraft in den alten Bundesländern, zu deutlich geringerem Lohn.

Zusammen mit der niedrigen Geburtenrate ergibt sich dabei eine Chance oder ein Problem, wie es die Politik nennt.

Die Chance ist klar erkennbar: Wir haben eine Situation, in der ein Erzieher- oder Kitaplatzüberschuss herrscht. Beste Situation, um den Schlüssel perspektivisch um ein oder zwei Kinder zu verringern.

Oder und das ist der Weg, den Sachsen geht, Kitas zu schließen.

Alles muss sich ändern, damit alles bleibt, wie es ist.

 Der Leopard -Giuseppe Tomasi di Lampedusa.

Was mir ja an der Politik aktuell fehlt, ist die langfristige Vision. Was denkt man sich, was in 10 Jahren ist?

Wenn man jetzt Kitas schließt, geht ein Teil des Personals weg. Ein Teil in die Rente, ein Teil, der regional nicht so gebunden ist, also die jungen Fachkräfte, geht in den Westen, wo sie gebraucht werden, wo sie mehr verdienen, wo sie bessere Arbeitsbedingungen vorfinden.

Welch Blauäugigkeit setzt es voraus, dass es langfristig auch funktioniert, wenn die Geburtenrate wieder anzieht, dass man hier weiter die Situation, um die uns andere Bundesländer beneiden, allen einen sicheren Kitaplatz anbieten zu können, weiter aufrecht erhalten zu können?