Co-Living: Die Ausbeutung im hippen Gewand?

Leipzig, lass uns Klartext reden. Der Wohnungsmarkt ist für viele von uns ein Albtraum. Steigende Mieten, knapper Wohnraum – und dann taucht da dieser hippe Begriff auf: Co-Living. Klingt nach einer genialen Lösung, oder? Ein Gemeinschaftstraum mit WLAN, Putzfrau und All-Inclusive-Paket. Aber was steckt wirklich hinter der glänzenden Fassade? Für wen ist dieses Konzept gedacht und wer profitiert am Ende wirklich?

Die scheinheilige Versprechung: WG-Plus?

Co-Living wird als die smarte Antwort auf unsere Probleme vermarktet. Weg von der WG-Küche, die keiner putzt, hin zur professionell gemanagten Gemeinschaft. Und klar, der Grundgedanke ist verlockend: Du mietest dein eigenes Zimmer, hast aber Zugang zu geilen Gemeinschaftsflächen, ohne dich um Strom, Internet oder die Nebenkostenabrechnung kümmern zu müssen.

Aber hier liegt der Haken. Anders als in einer WG, in der ihr euch die Miete teilt, schließt du bei Co-Living einen Vertrag mit einem großen, meist anonymen Unternehmen ab. Das sind keine Nachbarn, die auf Gemeinschaft setzen, das sind Investoren, die auf Profit aus sind. Sie nutzen die akute Wohnungsknappheit aus, um Räume, die eigentlich für Familien und Arbeiter gedacht waren, in teure Mini-Zimmer zu verwandeln. Es ist das Spiel mit unserer Verzweiflung.

Die Zukunft des Wohnens? Ein Blick auf die Zahlen

Man könnte meinen, Co-Living sei nur ein Hype, aber die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Der globale Markt wächst rasant. Analysten schätzen, dass der Markt von 7,7 Milliarden Dollar im Jahr 2024 auf bis zu 32,3 Milliarden Dollar bis 2034 anwachsen wird. Das sind Wachstumsraten, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss.

Auch in Europa boomt das Geschäft. Führende Akteure wie Habyt und NREP investieren Millionen in Tausende von Einheiten, auch hier bei uns in Leipzig. Die Investoren glauben fest an das Modell, weil sie wissen, dass die Nachfrage nach flexiblem, unkompliziertem Wohnen in unseren Metropolen riesig ist. Das zeigt: Co-Living ist gekommen, um zu bleiben.

Für uns bedeutet das: Wir dürfen die Regulierung nicht den Investoren überlassen. Wenn wir jetzt nicht handeln, werden noch mehr Wohnungen dem Spekulationsmarkt zum Opfer fallen und die Mieten weiter in die Höhe treiben. Es ist an uns, dafür zu sorgen, dass dieser wachsende Markt zu einem fairen und sozialen Baustein unserer Städte wird.

Die juristische Achillesferse

Genau hier beginnt das Problem: Das deutsche Mietrecht, unser Schutzschild als Mieter, ist für Co-Living nicht gemacht. Es kennt nur zwei Kategorien: den Wohnraummietvertrag und den Gewerbemietvertrag. Ein Co-Living-Anbieter versucht, sich dazwischen zu manövrieren.

Ein normaler Wohnraummietvertrag schützt dich massiv: Er regelt die Kündigungsfristen, ermöglicht eine Mietminderung bei Mängeln (zum Beispiel, wenn die Heizung ausfällt) und schiebt dem Mietwucher einen Riegel vor. Die Anbieter argumentieren, dass ihre hotelähnlichen Dienstleistungen wie Reinigung und Möblierung sie von normalem Wohnen abheben. Das ist das juristische Schlupfloch, um das strenge Mietrecht zu umgehen. Sie wollen, dass die Behörden ihre Räume als gewerbliche Fremdenbeherbergung einstufen. Und da liegt die Ironie: Wohnraum wird bewusst in Gewerbe umgewandelt, damit sie uns weniger Rechte geben müssen.

Zum Glück schweigen die Gerichte nicht. Die Justiz hat erkannt, dass dieses Manöver nicht in Ordnung ist. Ein entscheidendes Urteil in München hat klargestellt: Ein Co-Living-Konzept, bei dem der Betreiber die Wohngemeinschaft steuert und hotelähnliche Dienstleistungen anbietet, gilt als gewerbliche Fremdenbeherbergung – und nicht als Wohnraumvermietung.

Die Folge? Solche Angebote verstoßen gegen kommunale Zweckentfremdungssatzungen, die Wohnraum vor einer Umnutzung schützen sollen. Die Behörden können die Nutzung stoppen und hohe Bußgelder verhängen. Dieses Urteil ist ein Signal an alle Betreiber: Die rechtliche Grauzone ist keine Einladung zur Ausbeutung, sondern ein riskantes Spiel.

Wenn das Konzept zum Problem wird: Der Fall Sven Schwarzat in Leipzig

Der Fall Sven Schwarzat in unserer eigenen Stadt ist ein Weckruf. Seine Geschäftspraktiken zeigen, wie dieses Modell missbraucht werden kann. Mieter berichten von skandalösen Zuständen: Mieten bis zu 37 Euro pro Quadratmeter, unzumutbare Wohnbedingungen ohne Warmwasser oder Heizung und eiskalte Verwaltung, die sich nicht um die Belange der Mieter schert. Das ist kein modernes Wohnen, das ist schamlose Ausbeutung!

Die Lösung: So machen wir Wohnen in Leipzig wieder sozial

Wir brauchen keine halbherzigen Lösungen, wir brauchen echte Veränderungen. Co-Living muss nicht böse sein, aber es muss geregelt werden!

1. Klare Regeln, keine Grauzonen: Wir fordern eine klare, rechtliche Definition für Co-Living. Mit festen Standards für Mieten, Wohnqualität und vor allem für den Mieterschutz. Schluss mit der gewerblichen Fremdenbeherbergung!

2. Mehr Förderung, weniger Spekulation: Unsere Stadt muss alternative, soziale Wohnmodelle aktiv fördern. Statt riesiger Co-Living-Projekte von Großkonzernen brauchen wir mehr genossenschaftliche und gemeinnützige Wohnprojekte. Modelle, bei denen die Gemeinschaft im Vordergrund steht, nicht der Profit.

3. Wir bestimmen die Zukunft: Mieter müssen von Anfang an mitreden dürfen. Bei der Stadtplanung, bei neuen Bauprojekten und bei der Regulierung. Wir brauchen keine Lösungen, die über unsere Köpfe hinweg entschieden werden, sondern eine Politik, die uns, die Mieter, Arbeiter und Familien, in den Mittelpunkt stellt.

Co-Living mag auf den ersten Blick wie die Zukunft aussehen. Aber lasst uns sicherstellen, dass diese Zukunft fair und bezahlbar für alle ist – nicht nur für diejenigen, die sich die hohen Preise leisten können.

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