BSW im Osten: Von der Wunderkiste zum Umzugskarton

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) hat sich in erstaunlich kurzer als relevante politische Kraft, vor allem in Ostdeutschland dargestellt. Lange Zeit kannte die Partei in den Umfragen nur eine Richtung: nach oben. Aus dem Stand gelang es, in drei ostdeutsche Landtage reinzukommen und auch die Europawahl kann man als Erfolg für die junge Partei verbuchen.

Doch mit dem denkbar knappen Nicht-Erreichen der Fünfprozenthürde bei der Bundestagswahl wurde der Hype-Train jäh gestoppt. Auch hat diese parteiinterne Konflikte, die lange unter dem Radar geblieben waren, zu Tage gefördert, was die Außenwirkung stark negativ prägt.

Interne Spannungen und Parteiaustritte: Zeichen der Instabilität?

Ein Blick auf die innere Verfassung des BSW zeigt, dass die Partei nicht nur für andere politische Akteure eine Herausforderung darstellt, sondern auch mit sich selbst ringt. Die Spannungen zwischen der Thüringer Landesvorsitzenden Katja Wolf, die eine pragmatischere Linie in Richtung Koalitionsfähigkeit vertritt, und Teilen der Bundespartei rund um Sahra Wagenknecht waren öffentlich sichtbar und werfen Fragen nach der Hierarchie und dem Kurs der Partei auf.  

Hinzu kommen Berichte über Parteiaustritte von Mitgliedern, die Unzufriedenheit mit der Entwicklung des BSW signalisieren. Besonders bemerkenswert sind hier Austritte wie der des Europaabgeordneten Friedrich Pürner. Solche Abgänge, begleitet von Kritik an der Migrationspolitik der Partei oder sogar von Vorwürfen einer „Kultur des Misstrauens“, schaden dem einst makellosen Bild der Partei als geeinte und verlässliche Kraft. Für potenzielle Koalitionspartner ist die innere Stabilität einer Partei ein gewichtiger Faktor. Häufen sich interne Konflikte und treten sogar gewählte Mandatsträger aus, macht das die Partei als Bündnispartner schwer kalkulierbar und eher zum Stolperstein. Dass die BSW-Abgeordneten im Europaparlament derzeit fraktionslos sind, unterstreicht zudem die Herausforderungen der Partei, sich auch international stabil zu vernetzen.

Sachsen: Komplexe Suche nach einer Mehrheit

Auch in Sachsen hat das starke Abschneiden des BSW die Suche nach einer stabilen Regierung erschwert. Das Wahlergebnis erlaubte eigentlich kein Weiterso bisherigen Koalitionspartner. Nach schwierigen Sondierungen und Verhandlungen zeigte sich, dass die Bedingungen des BSW für die anderen Partner nicht erfüllbar waren. Was nun auch zu einer Minderheitsregierung führte.
In diesem Kontext wurde deutlich: Das BSW ist kein leichter Partner, die Forderungen machen klar, dass die Unterschiede weit grösser sind als die Gemeinsamkeiten mit den anderen Parteien.

Brandenburg & Thüringen: Koalitionen mit BSW-Beteiligung

In Brandenburg und Thüringen hat das BSW den Schritt in die Regierungsverantwortung gewagt und ist Teil der jeweiligen Landesregierungen. Dies zeigt, dass eine Koalition mit dem BSW prinzipiell möglich ist und das Bündnis bereit ist, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Es wäre ein großer Fehler außer Acht zu lassen, dass die starken Ergebnisse der AfD und die Schwäche der anderen Parteien(in BB flogen Grüne, FW/BVB und Linke aus dem Landtag, in Thüringen FDP und die Grünen) den Druck, erfolgreich bei den Koalitionsverhandlungen zu sein, immens erhöhten.

Das knappe Bundestagsergebnis: Ein nationales Handicap?

Das Ergebnis der letzten Bundestagswahl wirkt nach: Das BSW verfehlte den Einzug in den Bundestag als Fraktion nur denkbar knapp an der 5-Prozent-Hürde. Dieses knappe Scheitern auf nationaler Ebene mag zwar die Relevanz in den Ländern nicht aufheben, zeigt aber, dass das BSW bundesweit noch nicht so breit verankert ist.

Zum anderen ist das Ansehen der Königin angekratzt. Die starke von Wagenknecht beeinflusste Auswahl an Parteimitgliedern, das Einmischen in die Koalitionsverhandlungen bei den Landtagen und die mediale Fokussierung auf Wagenknecht als Gesicht der Partei. Auch die Möglichkeiten der Selbstdarstellung werden durch die geringere nationale mediale Präsenz weniger und die Mandatsträger werden nun nach Taten und nicht mehr den Versprechen gemessen.

Alles wird jetzt in Frage gestellt, wo die Partei und Sahra Wagenknecht im Speziellen ihr Mandat nicht verteidigen konnte.

Der Dämpfer aus Mecklenburg-Vorpommern

Jüngste Umfragen liefern weitere Nahrung für die Debatte um die Rolle des BSW. Eine aktuelle Umfrage in Mecklenburg-Vorpommern zeigte einen deutlichen Rückgang der Zustimmungswerte für das BSW um ganze zehn Prozentpunkte im Vergleich zu früheren Erhebungen. Bei gleichzeitigem Erstarken der Partei die Linke um ebenjene zehn Prozentpunkte.


Bei der Betrachtung der Rolle des BSW für die Zukunft, sollte man auch nie die wieder erstarkte Linke Partei vergessen, deren fulminante Rückkehr erst durch Friedrich Merz und seiner Suche nach Mehrheiten mit der AfD möglich wurde.

Genau jene Abstimmung brachte das BSW in die entscheidende politische Zwickmühle: Die selbst aufgeworfene Brandmauerdiskussion zwang das BSW gerade zu, beim Schulterschluss der Union mit der AfD nicht dagegen zu sein.

Nun heißt für viele linke Politik eben auch unbedingt Antifaschismus. Und weil das sonst keine Partei so echt und so laut wie die Linke und ihre Spitzenkandidatin Heidi Reichinek im Bundestag darbot, begann das politische Comeback zu neuen Spitzenwerten, die lange unerreichbar schienen.

Für das BSW bedeutet das wohl, dass der anfängliche Hype nicht zwangsläufig von Dauer ist. Gerade die Umfrage in Mecklenburg-Vorpommern bringt die Partei wieder an die psychologisch gefährliche 5% Hürde heran.

Fazit: Mehr Stolperstein als Brücke?

Zusammenfassend kann man sagen: Das BSW hat zweifellos Potenzial, die politischen Verhältnisse in Ostdeutschland ordentlich durcheinanderzuwirbeln. Ihre Fähigkeit, Protestwähler anzuziehen, macht sie zu einem Faktor, der bei Koalitionsüberlegungen nicht ignoriert werden kann. Doch die Beispiele aus Thüringen, die internen Querelen und Parteiaustritte und der Umfragedämpfer aus Mecklenburg-Vorpommern legen den Schluss nahe, dass das BSW derzeit eher ein politischer Klotz am Bein ist, denn verlässlicher Partner.

Und es eskaliert, keiner weiß wieso

Mir missfällt es, von einem Schock oder einem Beben zu reden, wenn etwas passiert, was irgendwie erwartbar und wenig überraschen passiert. Die Alternative für Deutschland (AfD) liegt erstmals in Sonntagsfragen als stärkste Kraft vor der Union

Das kam nicht aus heiterem Himmel. Bereits bei der Bundestagswahl im Februar hatte die AfD ihren Stimmenanteil mit 20,8 Prozent gegenüber 2021 (10,3%) verdoppelt und wurde klar zweitstärkste Kraft. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern etablierte sie sich als dominante politische Kraft. Die Umfragewerte vom April 2025 signalisieren jedoch eine neue Stufe der politischen Realität und werfen drängende Fragen auf.  

Dieser Beitrag verfolgt drei Ziele: Erstens schauen wir auf die vielschichtigen Ursachen für den anhaltenden Höhenflug der AfD. Zweitens wagen wir einen Ausblick auf die bevorstehenden Landtagswahlen im Jahr 2026. Drittens sollen die politischen Themen identifiziert werden, die diese Wahlkämpfe voraussichtlich prägen werden.

Der AfD-Höhenflug

Der Aufstieg der AfD lässt sich nicht auf eine einzige Ursache reduzieren. Vielmehr wirkt ein komplexes Bündel von Faktoren zusammen, die sich gegenseitig verstärken.

Unzufriedenheit mit Parteien & Regierungshandeln

Ein zentraler Treiber für die Stärke der AfD ist die tiefgreifende und weit verbreitete Unzufriedenheit und das sinkende Vertrauen mit den etablierten Parteien und dem Regierungshandeln – sowohl der vormaligen Ampel-Koalition als auch der sich nach der Wahl im Februar 2025 formierenden schwarz-roten Bundesregierung.

Über die Ampel wurde ja schon viel zu viel geschrieben. Nun kommt aus ebenjenem Lager die selbe Kritik der Union unter Friedrich Merz, insbesondere der umstrittene Kurswechsel bei der Schuldenbremse nach der Wahl und der Zick-Zack-Kurs im Umgang mit der AfD.

Diejenigen, die vor der Wahl unter dem Hashtag #MerzKannEsNicht propagierten, scheinen nun Recht zu behalten. Die neue Regierung startet mit einem Klotz am Bein, noch bevor sie so richtig begonnen hat. Es gibt politische Richtungswechsel und eine Menge Streit. In einer Zeit, wo ein Trump wie ein Kleinkind mit der Wirtschaftsmacht USA und damit dem Weltwirtschaftssystem umgeht.

Die AfD profitiert davon. Ein Großteil der Deutschen (85 %) und auch eine Mehrheit der AfD-Anhänger selbst (64%) führt die Stärke der Partei hauptsächlich auf die Unzufriedenheit mit den anderen Parteien zurück. Allerdings wäre es zu sehr verkürzt, die AfD-Wählerschaft ausschließlich als Protestwähler zu betrachten. Der Anteil derer, welche die AfD aus Überzeugung und wegen ihrer politischen Forderungen wählen, wächst.

Das deutet auf eine zunehmende ideologische Verfestigung der Wählerbasis hin, die über situativen Protest hinausgeht. Es ist eine Verschiebung, die es für Parteien schwieriger macht, diese Wähler allein durch bessere Politik zurückzugewinnen, das neue Credo derjenigen, die den Rechtsruck nicht wahrhaben willen. Es spielen auch neue weltanschauliche Themen eine Rolle oder benennen wir es einfach: Faschismus.

Sozioökonomische Ängste

Wenn ich eines in den letzten Jahren gelernt habe, dann ist es, das die Wahl einer Partei viel mehr ist, als eine bloße Stimmabgabe, ein Kreuz an einem bestimmten Tag. Es ist ein Lebensgefühlt. Wann immer bei bestimmten Themen die Parteipräferenz abgefragt wurde, so zeigen sich teils kuriose Unterschiede.

Ängste vor wirtschaftlicher Rezession, vor anhaltender Inflation, vor sozialem Abstieg. vor Impfnebenwirkungen, Vertrauensverlust in die Medien, in die Gerichte und in die Politik an sich. All das ist bei Wählern der AfD(und auch des BSW) weit deutlicher ausgeprägt als bei den Wählern anderer Parteien.

https://twitter.com/tkdmatze/status/1846483477086036401


Hier zeigt sich auch ein bemerkenswertes Phänomen, das als „AfD-Paradox“ bezeichnet wird: Die politische Agenda der AfD – EU-Skepsis, strikte Asylpolitik, Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen, Forderungen nach Kürzungen bei Sozialleistungen, und und und – würde gerade die eigene Wählerschaft am stärksten negativ treffen. Dass diese Wählergruppen dennoch die AfD unterstützen, deutet darauf hin, dass für die Wahlentscheidung nicht mehr allein rationale Erwägungen ausschlaggebend sind.

Vielmehr hat die Kommunikationsstrategie der AfD, das klassische Täter-Opfer-Retter Dreieck Früchte getragen. Wer der Täter dabei ist, ist beliebig, aber das Opfer ist der deutsche Bürger und der Retter die AfD.

Normalisierung und Enttabuisierung

Ein weiterer Faktor ist die fortschreitende Normalisierung der AfD und die Enttabuisierung rechtsextremer Positionen in Teilen der Gesellschaft. Der Anteil der Wahlberechtigten, die eine Wahl der AfD kategorisch ausschließen, ist in den letzten Jahren deutlich gesunken. Immer weniger Meschen stören sich an den verfassungsfeindlichen Tendenzen innerhalb der Partei.

Bemerkenswert ist die Verschiebung der Selbstwahrnehmung: Eine große Mehrheit der AfD-Wähler (84 Prozent ) verortet ihre Partei inzwischen „in der politischen Mitte und nicht rechts“. Begünstigt wird dieser Prozess auch durch das Verhalten anderer politischer Akteure, wenn diese Narrative oder Positionen der AfD übernehmen und damit zur Enttabuisierung beitragen. Die sinkende Hemmschwelle, die AfD zu wählen liegt an der Normalisierung der Positionen.  Und diese hat vor allem die Union(und BSW & FDP) vor der Wahl bedient.

Ostdeutscher Faktor / Jungnazis

Die hohen Zustimmungswerte für die AfD in Ostdeutschland haben komplexe Gründe. Dazu gehören nachwirkende Erfahrungen aus der Wende und eine Veränderungsmüdigkeit. Jedoch der Tenor, dass die AfD ein rein ostdeutsches Phänomen ist, wird durch aktuelle Umfragen ad absurdum geführt.

Besorgniserregend ist auch die wachsende Zustimmung zur AfD auch unter jungen Wählern, insbesondere bei jungen Männern. Hier ist ein Potpourri aus Incels, traditionellem Familienbild und christradikalen vor allem auf Social Media aktiv, um zu erklären, wann ein Mann ein Mann ist.

Blick auf 2026: Die Landtagswahlen in vier Bundesländern

Vor dem Hintergrund lohnt ein Blick auf die vier Bundesländer, in denen 2026 Landtagswahlen anstehen: Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz.

Sachsen-Anhalt (ST):

Die Umfragen zeigen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und AfD. Die AfD konnte bei der Bundestagswahl 2025 in Sachsen-Anhalt massiv punkten, profitierte von der Unzufriedenheit mit der Bundespolitik und mobilisierte stark, auch bei jungen Wählern. Das neu angetretene BSW etabliert sich als relevanter Faktor. Die CDU unter Ministerpräsident Haseloff bzw. seinem Nachfolger(noch nicht geklärt) steht unter massivem Druck, die eigene Wählerschaft zu halten und gleichzeitig eine klare Abgrenzung zur AfD zu wahren. Die Ampelparteien SPD und Grüne sowie die Linke sind laut Umfragen stark geschwächt, die FDP kämpft um den Einzug.  

Es zeichnet sich ein Patt zwischen CDU und AfD als stärkste Kräfte ab. Eine Regierungsbildung ohne oder gegen die AfD wird extrem schwierig. Sollten AfD und BSW zusammen über 40% erreichen und FDP/Grüne/Linke an der 5%-Hürde scheitern oder nur knapp darüber liegen, könnten stabile Mehrheiten jenseits der AfD mathematisch kaum noch möglich sein. Dies birgt die Gefahr der Instabilität und könnte zu einer Minderheitsregierung oder einer sehr breiten Koalition unter Einschluss des BSW führen, um die AfD von der Macht fernzuhalten. Die hohen AfD-Werte könnten das Land in eine „Unregierbarkeitsfalle“ führen, die die politische Handlungsfähigkeit lähmt und die Demokratie vor Ort unter Druck setzt.

Mecklenburg-Vorpommern (MV):

Die AfD liegt in den Umfragen mit fast 30% klar an der Spitze, während die SPD von Ministerpräsidentin Schwesig massive Verluste hinnehmen muss. Bei der Bundestagswahl 2025 erreichte die AfD hier mit 35% ein Rekordergebnis. Die CDU stagniert auf niedrigem Niveau, das BSW ist auch hier stark. Die Unzufriedenheit mit der Bundespolitik und das Thema Migration dominieren auch hier die Stimmung. Die AfD ist besonders im ländlichen Raum stark.  

Die AfD dürfte 2026 mit hoher Wahrscheinlichkeit stärkste Kraft werden. Eine Fortsetzung der SPD-geführten Regierung ist unter diesen Umständen kaum vorstellbar. Die Regierungsbildung wird sehr schwierig. Denkbar wäre eine Koalition unter CDU-Führung (als zweit- oder drittstärkste Kraft) mit SPD und/oder BSW, die sich gegen eine sehr starke AfD-Opposition behaupten müsste.

Baden-Württemberg (BW):

Die politische Landschaft unterscheidet sich deutlich von der in ST und MV. Die CDU liegt in Umfragen klar vor den Grünen, die nach dem angekündigten Rückzug von Ministerpräsident Kretschmann deutlich an Zustimmung verlieren. Die AfD hat sich auf hohem Niveau (um 18%) stabilisiert und ist drittstärkste Kraft, aber weit von den Werten im Osten entfernt. Die SPD bleibt schwach, die FDP muss um den Wiedereinzug bangen. Der Wahlkampf wird voraussichtlich vom Duell der Spitzenkandidaten von CDU (Manuel Hagel) und Grünen (voraussichtlich Cem Özdemir) geprägt sein.  

Ein Machtwechsel ist wahrscheinlich. Die CDU hat gute Chancen, stärkste Kraft zu werden und den Ministerpräsidenten zu stellen. Wahrscheinlichste Koalitionsoptionen sind Schwarz-Grün (mit vertauschten Rollen) oder Schwarz-Rot. Die AfD wird als starke Oppositionskraft im Landtag bleiben, aber keine realistische Regierungsoption haben.

Rheinland-Pfalz (RP):

Die Situation ist offener als in BW. CDU und SPD liegen in den Umfragen eng beieinander, wobei die CDU zuletzt leichte Vorteile hatte. Die langjährige Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) tritt nicht mehr an, was die Karten neu mischt. Die AfD verzeichnet massive Zugewinne im Vergleich zur letzten Wahl und liegt bei rund 19%. Grüne, Linke und das BSW könnten ebenfalls in den Landtag einziehen und zu wichtigen Akteuren bei der Regierungsbildung werden. Die FDP ist stark geschwächt. Die bisherige Ampel-Koalition hat keine Mehrheit mehr.  

Es zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD um Platz eins ab. Die Regierungsbildung wird komplex. Eine Große Koalition wäre eine Option, aber auch Dreierbündnisse unter Einbeziehung von Grünen, Linken oder dem BSW sind denkbar, je nach genauem Wahlausgang. Die AfD wird ihre Position als starke Oppositionskraft ausbauen, aber von einer Regierungsbeteiligung weit entfernt bleiben.

Zwischen Verunsicherung und politischem Wandel

Die Tatsache, dass die AfD im Frühjahr 2025 in bundesweiten Umfragen erstmals zur stärksten Kraft aufstieg, ist mehr als eine Momentaufnahme. Sie ist ein Symptom tiefer liegender Verunsicherungen in Deutschland. Gleichzeitig spiegelt sie aber auch den Erfolg einer Partei wider, die es versteht, diese Stimmungen gezielt zu nutzen, Ängste zu schüren und sich durch eine fortschreitende Normalisierung eine immer breitere Wählerbasis zu erschließen.

Der Blick auf die Landtagswahlen 2026 zeigt, dass Deutschland vor wichtigen Richtungsentscheidungen steht. Insbesondere in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern drohen durch die massive Stärke der AfD schwierigste politische Verhältnisse bis hin zur potenziellen Unregierbarkeit, wenn stabile Mehrheiten ohne oder gegen die AfD kaum noch zu bilden sind.

Die Parteien und ihre (schwierige) Jugend

Jugendorganisationen der Parteien spielen eine zentrale Rolle in der politischen Landschaft Deutschlands. Sie dienen nicht nur der Nachwuchsförderung, sondern prägen auch maßgeblich die Ausrichtung und Dynamik ihrer Mutterparteien. Ließt man die Nachrichten der letzten Wochen, zeigt sich, dass diese manchmal mehr im Fokus stehen als die Mutterparteien.

Die Grüne Jugend: teilweise Abkehr von der Mutterpartei

Im September 2024 sorgte die Grüne Jugend für Aufsehen, als der gesamte Bundesvorstand geschlossen aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen austrat. Man begründete diesen Schritt mit der Entfremdung von der Parteiführung und der Unzufriedenheit über die politische Ausrichtung der Grünen. Sie kündigten die Gründung einer neuen linken Jugendorganisation an, die sich stärker für soziale Gerechtigkeit und konsequenten Klimaschutz einsetzen soll.​ Nun wurde auch ein Name für das Vehikel gefunden, dass zwischenzeitlich den sperrigen Namen „Zeit für was Neues 2024“ bekannt war: Linke Jugend. Das klingt der Linksjugend zum verwechseln ähnlich und hat in der Linkspartei für etwas Unmut gesorgt.

Was der neue Vorstand und vor allem Jette Nietzard so treibt, hatte ich hier ja schonmal. In der Zwischenzeit hat sie noch mal mit der Forderung nach Orgasmen-Gerechtigkeit für Aufsehen gesorgt. Wer hätte je gedacht, dass ich jemals in einem politischen Blog das Wort Orgasmus platzieren würde, ihr etwa?
Ihre Analyse des Koalitionsvertrages „zu wenig drin für junge Menschen“ unterschriebe ich sofort.

Auflösung der Jungen Alternative: Konsequenz rechtsextremer Tendenzen

Die Jugendorganisation der AfD, die Junge Alternative (JA), wurde im März 2025 aufgelöst. Zuvor wurde sie vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft. Um einem möglichen Vereinsverbot zuvorzukommen und die Kontrolle über den Nachwuchs zu stärken, hat die AfD deren Auflösung und Eingliederung in die Mutterpartei beschlossen.

Hier gilt es abzuwarten, ob es zur Mäßigung der Jugend oder zur weiteren Radikalisierung kommt. Letzteres möchte die Mutterpartei nicht nur wegen der Gerichte tunlichst vermeiden. Im nächsten Jahr sind mehrere Landtagswahlen, die AfD kommt nun auch in den westdeutschen Bundesländern auf satte zweistellige Ergebnisse und dort will man sich diesen Effekt nicht durch ständige Pöbeleien und Hetz-Zitate gefährden.

Jusos: Kritische Haltung zum Koalitionsvertrag

Die Jungsozialistinnen und Jungsozialisten in der SPD zeigen sich kritisch gegenüber der Parteiführung. Insbesondere der Koalitionsvertrag steht in der Kritik, da viele Jusos befürchten, dass zentrale sozialdemokratische Positionen verwässert werden. Die Jusos fordern eine stärkere Berücksichtigung sozialer Gerechtigkeit und droht mit der Ablehnung des Koalitionsvertrages.​

Berliner Jusos: Debatte um den Begriff „Islamismus“

Auch kontrovers ist die Entscheidung der Berliner Jusos, den Begriff „Islamismus“ nicht mehr zu verwenden. Stattdessen soll von „religiös begründetem Extremismus“ gesprochen werden, um eine Stigmatisierung des Islams zu vermeiden.

Fernab von jeglicher Realität ist diese Entscheidung. Elfenbeinturm-Mentalität. Es ist Fluch und Segen zugleich, dass in diesen Organisationen wie in einem Inkubator Ideen entwickelt werden, die eine beschränkte Wirkmacht haben. Deren Konsequenzen man nicht bedenken muss.

Staat und Gesellschaft müssen den Islamismus konsequent bekämpfen. Es darf hier keinerlei Toleranz geben.
Cem Özdemir, Bundesforschungsminister

Junge Union: Konservative Basis rebelliert gegen Koalitionskurs​

Und Auch innerhalb der Jungen Union regt sich Widerstand gegen den aktuellen Koalitionsvertrag. Oliver Häusler, Vorsitzender der JU Filder, sorgte bereits im April 2024 für Aufsehen, als er ein T-Shirt mit der Aufschrift „Abschiebungen ins Grundsatzprogramm“ trug. Häusler sammelte über 800 Unterschriften für eine Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag, um die Basis stärker in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.

Fazit

Jugendorganisationen haben eine doppelte Rolle: Sie fungieren sowohl als Spiegel gesellschaftlicher Strömungen als auch als Katalysator für innerparteiliche Veränderungen. Ob durch die Abspaltung der Grünen Jugend, die Auflösung der Jungen Alternative oder die kritischen Positionen der Jusos und der Jungen Union – der politische Nachwuchs zeigt sich zunehmend selbstbewusst und bereit, etablierte Parteistrukturen herauszufordern.​

Diese Tendenzen können einerseits als Ausdruck lebendiger demokratischer Diskurse gewertet werden, andererseits bergen sie das Risiko, durch überzogene Forderungen oder radikale Positionen die Mutterparteien unter Druck zu setzen oder gar zu spalten. Die Balance zwischen konstruktiver Kritik und parteischädigendem Verhalten bleibt dabei eine zentrale Herausforderung.​

Letztlich zeigen diese Entwicklungen, dass Jugendorganisationen nicht nur als Nachwuchsschmieden fungieren, sondern auch maßgeblich die politische Agenda und Ausrichtung ihrer Parteien beeinflussen können. Ein bewusster und reflektierter Umgang mit dieser Verantwortung ist daher unerlässlich.

Wonach habt ihr zuerst im Koalitionsvertrag geschaut?

Auch wenn im Wahlkampf viel über das Thema Migration und Sicherheit gesprochen wurde, führte die Suche nach Themen im Koalitionsvertrag zu einem besonderen Thema: der Rente. In Zeiten des demografischen Wandels, ich nenne es ja gerne auch demografischen Unheil, wachsender Altersarmut und einer zunehmend belasteten jungen Generation ist die Frage nach der Zukunft der Altersvorsorge drängender denn je. Doch der neue Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enttäuscht in diesem zentralen Punkt völlig.​

Warum die Rente so wichtig ist – und warum die Zukunft ungewiss bleibt

Die gesetzliche Rente ist das Rückgrat der sozialen Sicherheit in Deutschland. Doch mit einer alternden Bevölkerung, sinkenden Geburtenraten und einer wachsenden Zahl von Rentnern steht das System unter Druck. Zudem steigt durch medizinischen Fortschritt die Lebenserwartung und damit die Rentenbezugsdauer stetig. Alleine fast 10 Jahre in den letzten 30 Jahren .Laut dem Mercer CFA Institute Global Pension Index 2024 liegt Deutschland im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld, insbesondere aufgrund mangelnder Nachhaltigkeit des Rentensystems. ​

„Die Rente bleibt stabil“ – aber wie?

Im Koalitionsvertrag wird das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent garantiert. Doch wie diese Stabilität finanziert werden soll, bleibt unklar. Ein Finanzierungsvorbehalt für alle Maßnahmen wird betont, was die Umsetzung generell fraglich macht. Statt konkreter Pläne werden Kommissionen gegründet – ein Zeichen fehlenden Mutes zur echten Veränderung. ​Man verschiebt die Probleme in die Zukunft und macht damit die ohnehin nötigen Veränderungen gravierender.

Die Rente ist sicher.
Norbert Blüm​

Frühstart-Rente

Die Einführung einer „Frühstart-Rente“ ab 2026, bei der für jedes Kind in Ausbildung zwischen 6 und 18 Jahren monatlich 10 Euro in ein kapitalgedecktes Vorsorgedepot fließen sollen, klingt gut. Doch angesichts der Herausforderungen des Rentensystems wirkt diese Maßnahme wie Symbolpolitik ohne echten Effekt. Das liegt vor allem an den gravierenden bewussten Rechenfehlern. Wenn die Kinder ihre 10 Euro pro Monat bekommen und dann die Renditeerwartungen eintreffen, kommt man auf einen Betrag von 36.000 €. Das klingt irgendwie schön und erstmal nach einer Menge Geld. Was komplett ignoriert wird ist dabei die Inflation oder auch Kaufkraftverlust. Zu Deutsch: man hat zwar den Betrag von 36.000€ in der Tasche, dieser ist aber etwa das Wert, was heute 5.000€ sind. Und was soll man mit diesen 5.000 € machen? Bei 18 Jahren Rentenbezug reden wir hier von 23 € mehr im Monat!

Aktivrente: Einseitige Entlastung ohne Systemwirkung

Die geplante „Aktivrente“, bei der Rentner bis zu 2.000 Euro steuerfrei hinzuverdienen können, soll Anreize für längeres Arbeiten schaffen. Das ist eine Maßnahme gegen den Fachkräftemangel. Schon jetzt ist es in der Wirtschaft von Nöten, dass man mit Arbeitgebern, deren Rentenzeit bevorsteht spricht. Ob die Arbeitskraft/Expertise dann in Altersteilzeit oder in geringfügiger Beschäftigung erhalten bleibt. Nur auch das ist nicht in unendlichem Maße möglich. Irgendwann hat es jeder in dem Alter auch verdient, seinen Lebensabend ohne Arbeit zu genießen.

Lösungsansätze: Dynamisches Renteneintrittsalter?

Die paneuropäische Partei Volt Deutschland schlägt ein dynamisches Renteneintrittsalter vor, das sich an der durchschnittlichen Lebenserwartung orientiert. Solche Ansätze können helfen, das Rentensystem nachhaltiger zu gestalten.​ Das Deutsche Institut für Altersvorsorge resümierte:

Für diesen Vorschlag plädieren schon seit Jahren renommierte Wissenschaftler. Auch das Deutsche Institut für Altersvorsorge tritt dafür ein.

Die Politik steht in der Verantwortung, nicht nur populäre Maßnahmen zu ergreifen, sondern auch notwendige Reformen anzugehen. Vor der Wahl hatte die Union den Mut dazu, solche Forderungen aufzustellen. Ein Linnemann zum Beispiel schlug vor, den Renteneintritt an die Lebenserwartung zu koppeln.

Die aktuelle Koalition scheint jedoch den Mut zu echten Veränderungen zu scheuen.​

Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe der Politiker ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.

Walter Scheel, ehemaliger Bundespräsident

Lösungsansatz: Eine Rente für alle

Auch die Idee, eine Rentenkasse für alle einzuführen findet sich bei Volt Deutschland, eine Idee, die mittlerweile auch gesellschaftliche Mehrheiten findet. Insbesondere, da die Höhe der Pensionen für Beamte immer wieder für Diskussionsstoff und Gerechtigkeitsdebatten sorgt.

Fazit: Eine verpasste Chance – besonders für die Jugend

Der Koalitionsvertrag bleibt beim Thema Rente vage, unkonkret und weit hinter den Erwartungen zurück. Für die junge Generation bedeutet dies Unsicherheit und die Aussicht auf ein instabiles Rentensystem. Laut MDR Fragt glauben nur noch 8% der jungen Menschen an das Blüm’sche Versprechen. Gleichzeitig werden diese die Kosten für die verfehlte Politik tragen müssen, Steigerungen in den Rentenbeiträgen werden nicht ausbleiben.

Ich war ja selbst im Wahlkampf sehr viel unterwegs und es ist unglaublich, wie viele junge Menschen das Thema Rente sehr weit vorne in den Prioritäten sehen. Und diese Wählergruppe verliert die Union und auch die SPD in ihrem Verwaltungsmodus immer weiter aus den Augen. Statt echter Reformen gibt es nur Versprechungen ohne Substanz.​ Ungeachtet des demografischen Unheils. Mit Volldampf gegen die Wand. Deutschland 2025.

Es ist besser, eine Kerze anzuzünden, als über die Dunkelheit zu klagen.
Konfuzius​

Der Osten wird zur Bühne eines Kulturkampfes

Warum der CSD in Bautzen 2024 mehr war als nur eine Parade – und was das für 2025 bedeutet

2024 fand in Bautzen zum zweiten Mal ein Christopher Street Day statt. Organisiert von Jonas Löschau, einem jungen grünen Kommunalpolitiker und Aktivisten, versammelten sich über 1.000 Menschen, um für die Rechte queerer Menschen zu demonstrieren – und gegen Hass, Einschüchterung und rechte Gewalt ein Zeichen zu setzen. Begleitet wurde der CSD von zahlreichen Gegendemonstranten, die dem rechtem Spektrum zuzurechnen sind. Das Ereignis blieb kein lokales Einzelphänomen. Es war ein Auftakt. Eine Probe für etwas Größeres. Und es zeigte deutlich: Der Osten wird zur Bühne eines Kulturkampfes.

Hier mein Beitrag aus dem letzten Jahr.

CSD Bautzen: Mut inmitten der Bedrohung

Bautzen ist kein einfacher Ort für queeres Leben. Die Stadt hat in den vergangenen Jahren immer wieder durch rechtsextreme Umtriebe, eine aggressive Jugendkultur und ein politisches Klima Schlagzeilen gemacht, in dem Empathie und Weltoffenheit nicht selbstverständlich sind.

Dass in genau dieser Stadt ein CSD stattfindet, ist bereits ein Statement. Dass er 2024 trotz massiver Bedrohungslage durchgezogen wurde, ist ein Kraftakt. Jonas Löschau und sein Team mussten nicht nur gegen Windmühlen arbeiten – sie stellten sich offen einer Szene entgegen, die keine Skrupel zeigt.

Im Vorfeld wurde bundesweit in rechtsextremen Kanälen zur Mobilisierung aufgerufen. Die Veranstaltung selbst fand unter massivem Polizeischutz statt. Zwei rechtsextreme Gegendemonstrationen wurden angemeldet, über 600 Neonazis marschierten gleichzeitig durch die Stadt.

Doch Bautzen knickte nicht ein.

Die neue Strategie der extremen Rechten

Die CeMAS-Studie „Eine neue Generation von Neonazis“ hat nun bestätigt, was viele vor Ort bereits gespürt haben: Die Angriffe auf queere Events sind Teil eines größeren Plans.

Eine junge, digital vernetzte Szene – radikal, strategisch und kampferprobt – nutzt Plattformen wie Telegram, TikTok und Instagram, um gezielt gegen CSDs zu mobilisieren. Zwischen Juni und September 2024 wurden laut Studie in 27 deutschen Städten gezielt CSD-Veranstaltungen gestört. Der Osten war dabei ein besonderer Schwerpunkt: Bautzen, Zwickau, Leipzig, Freiberg – überall dieselbe Masche.

Es geht dabei nicht um „Zufall“. Es geht um Macht. Die Sichtbarkeit queerer Menschen soll bis zum Verschwinden zurückgedrängt werden. Veranstaltungen wie CSDs sollen aus Angst aufgegeben werden. Es ist eine neue Form des Kulturkampfes, offen geführt – auf der Straße, online, im Parlament.

Was 2025 bevorsteht

Die CSD-Saison 2025 in Ostdeutschland wird wahrlich kein Spaziergang. Sie wird zur Bewährungsprobe für Demokratie, Zusammenhalt und die Fähigkeit von Zivilgesellschaft, sich zu verteidigen. Die Lektionen aus 2024 sind klar:

Der Schutz von Veranstaltungen queerer Menschen braucht klare Sicherheitskonzepte, Exit-Strategien, enge Koordination mit der Polizei – und vor allem: Solidarität durch Präsenz. Es braucht mehr Unterstützer aus anderen Städten, mehr Ordner mit Schulung, mehr juristische Beratung im Vorfeld.

CSDs sind keine kleinen Sommerfeste mehr. Sie sind antifaschistische Notwendigkeit.

Was in Bautzen begann, kann und wird andernorts wieder geschehen. Und nur weil es in kleineren Städten passiert, heißt das nicht, dass es weniger wichtig ist. Was in Meißen und Dessau passiert, betrifft auch Leipzig. Was in Greifswald und Cottbus schiefgeht, geht auch Berlin etwas an.

CSDs waren immer politisch, aber in Zeiten wie diesen sind sie besonders scharf umrissen. Es geht nicht nur um Gleichstellung. Es geht um Sichtbarkeit unter Beschuss. Jeder geschmückte Truck, jede Fahne, jeder Kuss auf der Straße ist ein Statement: Wir lassen uns nicht vertreiben. Wir sind hier. Und wir gehen nicht weg.

Unternehmen im Spannungsfeld

Dazu kommen noch die politischen Entwicklungen in den USA unter Präsident Donald Trump. Diese haben zur Streichung von Diversity-, Equity- und Inclusion-Programmen (DEI) in Unternehmen geführt. Doch die Auswirkungen gehen weit über die Grenzen der Staaten hinaus: Berichten zu folge sollen auch europäische Firmen gedrängt werden, DEI-Programme einzustellen, wenn sie auch weiterhin Regierungsaufträge aus den Staaten bekommen wollen.

Und nun ist es Crunchtime für Unternehmen, denn die Anti-Woke Bewegung hat in den Staaten Erfolge verbuchen können. Allen voran der für sie erfolgreiche Kampf von Robby Starbuck gegen BudLight hat die Landschaft geprägt. Angst schleicht sich ein, denn der Kampfspruch „go woke – go broke“ ist seitdem keine leere Drohung mehr. Während nun also massig Unternehmen(Walmart, Ford, Jack Daniels, Ford, Meta, Microsoft, Google) ihre Programme beendet, wird die Anzahl der attackierten Unternehmen geringer und somit auch die Schwere der Angriffe härter. Übrigens hat auch Aldi jeglichen Verweis auf DEI von den amerikanischen Seiten gelöscht, wird spannend, ob doch das Unternehmen in Deutschland auch weiterhin so zum CSD bekennt wie bisher. Und die letzten verbleibenden Konzerne wie Disney erleiden gerade an den Kinokassen mit Schneewittchen ein finanzielles Desaster.

In diesem Kontext gewinnt die Präsenz von Unternehmen bei den CSDs in Ostdeutschland an Bedeutung. Unternehmen, die sich trotz politischer Gegenwinde für die Rechte der queeren Community einsetzen, demonstrieren nicht nur soziale Verantwortung, sondern stärken auch ihre Bindung zu vielfältigen Kundengruppen und Mitarbeitenden.​ In Zeiten, in denen aktivistische Störer versuchen, Errungenschaften im Zusammenleben zurückzudrängen, ist das Engagement von Unternehmen ein wichtiger und notwendige Beitrag zur Förderung von Akzeptanz und Toleranz. Vor allem, wenn es Gegenwind gibt.

Fazit: Es wird politisch – und laut

Die CeMAS-Studie hat den Vorhang gelüftet. Was in Bautzen begann, war geplant – und es wird weitergehen. Aber das heißt nicht, dass wir aufgeben. Im Gegenteil. Die queere Bewegung in Ostdeutschland ist stark, sie ist sichtbar, und sie ist nicht allein. 2025 wird ein Jahr der Klarheit: Welche Gesellschaft wollen wir sein? Wer hat das Recht, öffentlich zu lieben, zu leben, zu feiern – und wer will dieses Recht nehmen?

Der Osten ist nicht verloren. Er ist umkämpft.

Die bekannteste WG in Leipzig

Leipzig, einst bekannt für seinen erschwinglichen Wohnraum und seine lebendige Kulturszene, steht heute vor einer düsteren Realität: Die Wohnungsnot hat die Stadt fest im Griff, und die Hoffnung auf Besserung schwindet zusehends. Einen neuen negativen Höhepunkt stellt eine in dieser Woche veröffentlichte WG-Anzeige dar, die das ganze Ausmaß der Entwicklungen illustriert.

265 Euro werden für 7 Quadratmeter WG-Zimmer in Lindenau verlangt. Kalt wohlgemerkt. Dafür gibt es einen kombinierten Küche-/Dusche-/Toilettenbereich, den sich insgesamt 14 Bewohner auf der Etage teilen sollen. Für eine Zelle in deutschen Gefängnissen sind übrigens 9 Quadratmeter vorgesehen, mit eigener Toilette, nur zum Vergleich.

Bewohnerentwicklung in Leipzig

Ein Grund für die Entwicklung ist der anhaltende Zuzugsboom. Die Urbanisierung, also die Landflucht zu Gunsten der Städte ist in vollem Gange und so stieg die Einwohnerzahl in den letzten Jahren um 100.000 Menschen an. Dieses Wachstum ist hauptsächlich auf Zuzüge zurückzuführen, da die Zahl der Geburten meist deutlich unter der Zahl der Sterbefälle liegt.

Mietentwicklung in Leipzig

Und all die zugezogenen wollen natürlich irgendwo wohnen. Am liebsten Innenstadtnah. Dies führt zwangsläufig zu einem Kampf um den Wohnraum, welcher nicht im gleichen Maße zur Verfügung gestellt werden kann.
Die Mietpreise in Leipzig erreichen somit im Jahrestakt neue Rekorde. Aktuell liegen die durchschnittlichen Mietpreise für Wohnungen bei etwa 11,35 € pro Quadratmeter. Noch weit weg von den über 30€ pro Quadratmeter in der Höllen-WG, aber doch schon ein nicht mehr für jeden leistbares Preisniveau. Alleine in den letzten 3 Jahren stiegen die Mieten um 18 Prozent, in 5 Jahren um 35 Prozent.

Vor allem Stadtteile wie Plagwitz, Schleußig oder Gohlis erleben dabei größere Sprünge in den Preisen als der „Speckgürtel“. Die soziale Durchmischung, die Leipzig einst auszeichnete, weicht einer schmerzhaften Realität: Wohnen wird zum Luxusgut. Das Schlagwort Gentrifizierung, also die Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus dem inneren Stadtbereich, schlägt dabei voll zu. Entmietung und Eigenbedarf werden zu Wörtern, die für Mieter meist eines von zwei Optionen bedeuten: Umzug in eine teurere oder kleinere Wohnung.

Diskussion um Mietspiegel in Leipzig

Der Mietspiegel, einst ein Instrument zur Transparenz und Fairness, muss zunehmend infrage gestellt werden. Die aktuellen Zahlen scheinen die Realität nicht mehr abzubilden. Mieterhöhungen und Kündigungen wegen Eigenbedarf werden zur Regel. Das Vertrauen in dieses Instrument schwindet, und viele fühlen sich von der Politik im Stich gelassen. Die Stadt Leipzig erarbeitet derzeit einen neuen Mietspiegel, der ab Sommer 2025 den bis dahin geltenden aus dem Jahr 2022 ablösen soll.

Bilanz Zweckentfremdungsverbot in Leipzig

Der behördlich festgestellte Wohnraummangel erlaubte Leipzig 2024 ein neues Instrument, um die Entwicklung zu entschleunigen: das Zweckentfremdungsverbot. Damit soll zum einen die so genannte Kurzzeitvermietung, vor allem durch AirBnB verhindert werden. Die Bilanz ist bisher eher ernüchternd: 1149 (Stadträte sprachen von mehr als 2000 Zweckentfremdungen) Ferienwohnungen wurden bisher gemeldet. Auch der spekalutive Leerstand ist mit bisher 54 gemeldeten(hier war der Zensus 2022 bei 9875) Wohnungen nicht vollends bekämpft.

Ausnahme für (teil-)möblierte Wohnungen von der Mietpreisbremse

Ein weiterer Schlag für Wohnungssuchende ist die Ausnahme von (teil-)möblierten Wohnungen von der Mietpreisbremse. Diese Regelung öffnet Tür und Tor für Umgehungsstrategien, bei denen Vermieter durch minimale Möblierung exorbitante Preise verlangen können. Alleine die schiere Explosion der Anzahl an Wohnungsangeboten, die als möbliert angeboten werden, zeigt, dass die Vermieter dieses Schlupfloch nur allzu gerne nutzen. So auch unsere Horror-WG vom Anfang. Doch nur weil es die Möglichkeit gibt, ist dieses nicht immer zulässig. Erlaubt wäre ein Abschreibung des Anschaffungswertes über ein paar Jahre. Der Deutsche Mieterbund fordert daher die verpflichtende Ausweisung des Möblierungszuschlags im Mietvertrag. Auch Volt Leipzig fordert die transparente Aufstellung der Anschaffungskosten der Möbel, um unberechtigtem Wucher entgegen zu wirken.

Mehr bauen?

Die einfachste Lösung des Problems wäre es natürlich, mehr Wohnungen zu bauen. Und es wird auch gebaut, sowohl von den städtischen Firmen als auch von kommerziellen Anbietern. Nur halt wenig im Bereich Sozialwohnungen. Natürlich stellen die gestiegenen Baukosten ein Problem dar. Wenn Objektentwickler davon reden, dass Neubauten nicht unter 12 Euro Miete bereitgestellt werden können, hat man ein Problem. Und auch Sanierungen bedeuten meist eine deutliche Mietsteigerung, die über dem Niveau liegen, was sozial leistbar ist.

Bei den Objektentwicklern geht der Trend in Leipzig aber ohnehin dahin, Wohnungen in Qualitäten zu schaffen, die ein Mietniveau rechtfertigt, dass für viele Leipziger kaum mehr erschwinglich ist. 18,50 Euro kalt am neugebauten Lindenauer Hafen zum Beispiel. Um genau das zu verhindern hat Leipzig Milieuschutzgebiete ausgewiesen. Man will Luxussanierungen verhindern. Schafft man auch, aber eben nur dort. In gewisser Weise macht man die ausgewiesenen Gebiete dadurch uninteressant für Eigentümer und Investoren.

Und so kommt es wie es kommen muss, umso mehr man schützt, desto mehr werden die ungeschützten Stadtteile auf Hochglanz saniert und mit Prunkneubauten zu gepflastert. Und ja das ließt sich gut, bringt aber immer mehr junge Familien und Singles in Leipzig in Bedrängnis. Diese fliehen ins Umland, was aber auch in den letzten Jahren beständig die Preise erhöht hat, aber immer noch unter den Leipziger Preise liegt.

Oder und das ist das für mich Kuriose, die akzeptieren ebenjene Preise, einfach nur, weil sie froh sind, überhaupt etwas in der Preisklasse zu bekommen. Denn der Skandal an der Höllen-WG ist nicht nur, dass es solche Angebote gibt, sondern dass 5 Wohneinheiten schon vermietet waren.

Deutsches Sondervermögen

In Deutschland sorgt aktuell die Debatte um neue Sondervermögen für Aufruhr. Die besondere Herausforderung besteht darin, vor dem Amtsantritt der neuen Regierung eine einvernehmliche Lösung zu finden, die sowohl finanzpolitisch tragfähig als auch gesellschaftlich akzeptiert ist. Denn im neuen Bundestag erreichen die kriegskritischen Parteien Linke und AfD gemeinsam eine Größe, welche die notwendige Zweidrittelmehrheit unmöglich macht.

Und so musste nun Merz nach der Wahl eine 180°-Wende vollziehen, wenn es darum geht, neue Schulden zu machen. Und zudem ist er auf die Hilfe der Grünen angewiesen. Und es muss wie schon geschrieben alles sehr sehr schnell gehen.

Und da wird geklotzt und nicht gekleckert. 900 Millionen soll es insgesamt geben. Zum Vergleich: laut statistischem Bundesamt hat Deutschland gerade knapp 2,5 Billionen Euro Schulden. 1,7 Billionen davon liegen beim Bund. Kommen die Pakete also durch, würde sich die Verschuldung auf einen Schlag um knapp 50 Prozent erhöhen. Die Schuldenquote, die als Prozentzahl im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt berechnet, würde von europäisch eher geringen 60 Prozent auf 90 Prozent hochschießen. Damit wäre man ziemlich genau im aktuellen EU-Schnitt, der dadurch aber eben auch steigen würde.

Und was soll damit eigentlich angestellt werden? 400 Milliarden sollen in die Landesverteidigung fließen. Das ist auch notwendig, da Trump sich als unzuverlässiger Partner herausstellt und Europa sich nun selbst um seine Verteidigung kümmern muss.

Das andere Paket mit 500 Milliarden soll für Infrastruktur sein. Was man alles darunter verstehen kann, ist schon erstaunlich. Herzensprojekte der CSU wie die Mütterrente zum Beispiel. Auch Steuersenkungen sollen mit neuen diesen Schulden gegenfinanziert werden. Spielkasse für Wahlgeschenke nannte dieses die grüne Katharina Binz.

Es ist also plötzlich Geld in Unmengen da und man benötigt die Zustimmung der Grünen. Naheliegend, dass man versucht, ebenjene mit einem Teil dieses Geldes für grüne Themen zur Zustimmung zu bewegen. Schon im Bundestag bot Merz locker fluffig 50 Milliarden für Klimainvestitionen an. Nach intensiven Verhandlungen konnte dieser Wert sogar auf 100 Milliarden gesteigert werden und mit dem Begriff Zusätzlichkeit verziert werden.

Nun ist also der Weg bereitet, um das Paket durch den Bundestag zu bekommen. Auch die Klagen der AfD und der Linken beim Bundesverfassungsgericht liefen ins Leere. Bleibt noch das Problem, dass dieses Vorhaben auch durch den Bundesrat kommen muss. Da ist man wohl auf die Stimmen aus Bayern angewiesen, wo Hubert Aiwanger von den Freien Wählern schon seine Ablehnung signalisierte. Und nun muss man sich wohl auch diese Zustimmung erkaufen.

Was das wieder beinhalten und kosten wird ist aktuell nicht absehbar.
Die Frage bleibt: Wie viel von dem Geld landet wirklich dort, wo es benötigt wird? In den Schulen, Kitas, Straßen, Schienen und Stromnetze. Und bleibt da auch am Ende etwas übrig für den sozialen Wohnungsbau?

Disruptive Politik

Oder: Warum es in Deutschland keine großen Reformen gibt

In repräsentativen Demokratien ist politische Entscheidungsfindung ein komplexer Prozess, der auf Konsens und Kompromiss setzt. Unterschiedliche Interessengruppen – von Parteien über Lobbyverbände bis hin zur Zivilgesellschaft – müssen eingebunden werden. Jeder besteht auf dem Recht gefragt zu werden, um nicht danach mit einem „aber was ist mit uns?“ den Entschlüssen die Unterstützung zu verwehren. Dadurch entstehen oft langwierige Debatten und Kompromissentscheidungen, die große Reformen ausbremsen oder verwässern.

Ein klassisches Beispiel ist die Energiewende: Während das gesellschaftliche Bewusstsein über den Klimaschutz wächst, verhindern zähe Verhandlungen über Finanzierung, Technologieeinsatz und soziale Ausgleichsmaßnahmen schnelle Fortschritte. Ähnlich verhält es sich mit sozialen Reformen oder Infrastrukturprojekten – je mehr Beteiligte mitreden, desto größer die Gefahr, dass tiefgreifende Veränderungen ausbleiben, da jeder mitgedacht werden muss. Das beim Gebäudeenergiegesetz vielfach widerholte Strucksche Gesetz

Kein Gesetz verlässt den Bundestag, wie es herein gekommen ist

 Peter Struck

gilt damit unverändert.


Ein anderes prägnantes Beispiel für die Herausforderungen der Konsenssuche bietet auch die Europäische Union. Durch das Vetorecht einzelner Mitgliedsstaaten sind Entscheidungen häufig auf größtmögliche Kompromisse angewiesen, um die Zustimmung aller zu erhalten. Diese Notwendigkeit führt oft zu verwässerten Beschlüssen, die nicht die erforderliche Durchschlagskraft besitzen, um effektive Veränderungen herbeizuführen.

Der Lock-In-Effekt: Die Macht vergangener Entscheidungen

Ein weiteres Hindernis für „disruptive“ Politik ist der Lock-In-Effekt. Entscheidungen der Vergangenheit beeinflussen die Gegenwart oft so stark, dass neue politische Maßnahmen kaum umgesetzt werden können. Parteien sind hier besonders betroffen, da frühere Positionen ihre heutigen Handlungsspielräume einschränken.

Ein Beispiel sind die Grünen: Ursprünglich als pazifistische Partei gegründet, haben sie sich unter der Ampelregierung zu Befürwortern von Waffenlieferungen an die Ukraine entwickelt. Diese Kehrtwende ist einerseits ein Zeichen für Realpolitik, andererseits zeigt sie, wie frühere Positionen den Handlungsspielraum einschränken. Diese Entscheidung entstand aber nicht im Luftleeren Raum, ohne die Position zum Kosovo-Einsatz, welche am Kosovo-Parteitag der Grünen von der Basis beschlossen wurde. Die Abkehr vom Pazifismus wurde intern und extern stark kritisiert, weil viele Wähler genau deshalb ursprünglich ihr Kreuz bei den Grünen gemacht hatten.

Die Interpretation von Gesetzen als politisches Instrument

Gesetzgebung ist nicht nur die Schaffung neuer Regeln, sondern immer auch eine Frage der Interpretation. Rechtliche Rahmenbedingungen sind selten eindeutig und lassen Spielraum für politische Entscheidungen. Wer an der Macht ist, kann durch die Auswahl der relevanten Rechtsinterpretationen politische Weichen stellen.

Ein klassisches Beispiel ist die Diskussion um Grundrechte in Krisenzeiten wie Corona: Sind Notstandsgesetze oder Ausgangssperren mit demokratischen Prinzipien vereinbar? Hier entscheidet nicht allein das Gesetz, sondern dessen Interpretation durch Gerichte, Regierungen und Verwaltungen.

Aber auch die großen Sozialreformen unter Schröder waren davon geprägt, zu interpretieren, wann ein Sozialstaat noch ein Sozialstaat ist.

Politik und Recht: Wer folgt wem?

Der österreichische FPÖ-Politiker Herbert Kickl sagte einmal:


Politik hat nicht dem Recht zu folgen, sondern Recht der Politik.

Herbert Kickl


Dieses Zitat impliziert, dass politische Entscheidungen wichtiger sind als bestehende Gesetze und dass Politik nach Belieben das Recht verändern oder übergehen kann.

Vergleicht man das mit dem Zitat aus der NS-Zeit


Der Führerwille steht über dem Gesetz

Carl Schmitt

wird klar, wie gefährlich eine solche Denkweise ist. In einer Demokratie sind Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung essenzielle Prinzipien, die Politik an rechtliche Rahmenbedingungen binden. Sobald die Politik über dem Recht steht, öffnet dies Tür und Tor für Willkür und autokratische Strukturen.

Trump, Milei und der „disruptive“ Politikstil

Im Gegensatz zur traditionellen Politik, die sich in mühsamen Kompromissen verliert, setzen Figuren wie Donald Trump und Javier Milei auf eine „disruptive“ Strategie:

Trump umging parlamentarische Prozesse durch Exekutivverordnungen und stellte bestehende Institutionen offen in Frage.

Milei attackiert nicht nur politische Gegner, sondern das gesamte politische System und will es durch radikale Maßnahmen umkrempeln.

Beide agieren mit einer Politik des Bruchs, die bewusst auf Konfrontation setzt und sich nicht an überkommene Regeln gebunden fühlt. Ihr Politikstil basiert darauf, alte Strukturen nicht reformieren zu wollen, sondern sie zu zerstören und durch etwas radikal Neues zu ersetzen.

Doch auch, wenn diese neue Art ihre Gefahren mit sich bringt, so findet dieser Stil seine Anhänger. Nicht zuletzt wurden beide Vertreter durch demokratische Wahlen in ihr Amt gebracht. Was der kompromisslose Stil dann aber bedeutet, wurde erst nach der Wahl klar. So beschäftigen sich in beiden Ländern die Gerichte damit, ob die Anordnungen, welche im Linnemann’schen „einfach mal machen“ Stil beschlossen wurden, überhaupt in Einklang mit den Gesetzen stehen. Diese Art, ebenjene Legitimität schon a priori vorauszusetzen und die Legimitation im Nachhinein einzuholen, beschleunigt und verschlankt Prozesse. Führt aber auch zu einem Zick-Zack Kurs, wenn die Gerichte die Beschlüsse wieder einkassieren.

Fazit: Brauchen wir eine „disruptive“ Politik?

Eine wirklich disruptive Politik wäre eine, die eingefahrene Entscheidungsstrukturen aufbricht, ohne demokratische Grundsätze zu gefährden. Das bedeutet, dass Reformen schneller umgesetzt werden müssen, Blockaden durch alte Parteipositionen aufgelöst und politische Entscheidungsprozesse agiler gestaltet werden. Gleichzeitig muss das Recht als Schutzmechanismus für Bürger bestehen bleiben.

Die große Herausforderung bleibt:

Wie kann man das System reformieren, ohne es zu zerstören? Die Antwort darauf entscheidet, ob unsere Demokratie auch in Zukunft noch handlungsfähig bleibt.

In Deutschland stirbt die Mitte aus – Wahlanalyse Bundestagswahl 2025

Warum jetzt erst?

Einige werden sich fragen, warum ich jetzt erst schreibe. Ihr wisst ja, dass ich mit Volt selbst im Wahlkampf war und selbst für den Bundestag kandidierte. Nach Verkündung des Ergebnisses musste ich das Ganze erstmal verdauen. Nicht nur das Ergebnis der eigenen Partei, nein auch den Rest. Aber schauen wir uns erstmal die nackten Zahlen an.

  • CDU/CSU: 28,5 %
  • AfD: 20,8 %
  • SPD: 16,4 %
  • Grüne: 11,6 %
  • Die Linke: 8,8 %
  • BSW: 4,97% (scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde)
  • FDP: 4,3 % (scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde)
  • VOLT: 0,7 % (scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde)

Kurzer Wahlkampf und der Einfluss exogener Schocks

Durch das Ampel aus war der Wahlkampf deutlich komprimierter und jeder Plan, den irgendwelche Kampagnenagenturen im Kopf hatten wurden dann auch noch von der Realität eingeholt und ad absurdum geführt.

In den Wochen vor der Wahl erschütterten mehrere Anschläge Deutschland. Diese Ereignisse wirkten als exogene Schocks, die den ohnehin unter verkürzten Umständen improvisierten Wahlkampf obsolet machten. Der Fokus verlagerte sich abrupt auf Themen wie Sicherheit und Migration, was insbesondere Parteien am rechten Rand zugutekam. Aber nicht nur diesen.

Die Abstimmung der Union gemeinsam mit der AfD beim sogenannten Zustrombegrenzungsgesetz hatte auch ihre Rolle. Die Konsequenzen dieses Schrittes zeigten sich schnell, von 33 % in den Umfragen ging es für CDU/CSU abwärts zum zweitschlechtesten Ergebnis der Geschichte. Das ganze Momentum der Ostwahlen, wo klar wurde, dass der jeweils stärksten Partei der Mitte die Rolle der Brandmauerfestiger zugesprochen wurde, wurde so konterkariert. Natürlich gibt es auch Stimmen, die behaupten, ohne diese Abstimmung wäre die Wahl 25/25 für Union/AfD ausgegangen. Aber diese Stimmen sind so rechtslibertär, dass man nicht auf sie hören sollte. Zu mindestens werde ich das nicht.

Währenddessen standen SPD und Grüne ebenso in der Kritik. Einige fragten sich angesichts der Ereignisse, ob die beiden Parteien sich einer Art kollektiver Realitätsleugnung hingeben, weil sie zu wenig auf die Ereignisse reagierten. Die anderen denken, dass die beiden Parteien sich schon zu sehr in die rechte Richtung bewegt haben. Gruß Jette 👋

Während sich SPD und Grüne in innerer Zerrissenheit zwischen Regierungsauftrag, schlechten Umfragewerten und der Annäherung an die Union auf einen faulen Kompromiss einließen, versuchten sie bei der umstrittenen Abstimmung gemeinsam mit Merz noch zu retten, was nicht mehr zu retten war. Doch ihr Vorgehen blieb blass

Blass wie BSW und FDP, die sich als Erfüllungskomplizen hingaben.

Ganz im Gegensatz zur Partei die Linke, die sich als einzige glaubwürdig als antifaschistischer Schutzwall inszenieren konnte und mit Heidi Reichinek jemanden in den Reihen hat, die mit ihrer Rede das Internet sprengte. Die sonst sehr sparsam mit sprachlichen Superlativen umgehende Nicole Diekmann betitelte Heidi Reichinek als die Taylor Swift der Politik.

Die Abstimmung ging übrigens nicht durch. Verlierer: die Mitte. Gewinner: die Ränder. Und zum ultimativ glaubwürdigen antifaschistischen Schutzwall gehören halt weder Rot noch Grün mehr.

Robin Alexander analysierte das in zwei Sätzen sehr gut

Wir erleben eine Zerfaserung der Mitte

Wenn die Mitte nicht liefert, gewinnt die Linke

Krise der Kleinparteien

Während sich die politische Landschaft also zunehmend polarisiert, haben viele kleine Parteien Schwierigkeiten, überhaupt Fuß zu fassen. Besonders auffällig ist das völlige Verschwinden der einst als Shooting-Star gefeierten Piratenpartei, die bei dieser Wahl mit 0 % der Stimmen endgültig in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist.

Auch andere kleinere konservative Parteien wie das Bündnis Deutschland und die WerteUnion, die sich als Sammelbecken zwischen Union und AfD positionieren wollten, erzielten desaströse Ergebnisse. Das angebliche hohe Wählerpotential ist in Wirklichkeit niedrig, wenn zwischen diese beiden Lager kein Blatt Papier mehr passt.

Zukunft der FDP

Ein besonders markanter Einschnitt dieser Wahl ist das Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag. Während sich weltweit ein Trend hin zu libertären Parteien abzeichnet, konnte die FDP in Deutschland diesen Trend nicht nutzen. Ihr Abschneiden von nur 4,3 % zeigt, dass es ihr nicht gelungen ist, sich als glaubwürdige Alternative für wirtschaftsliberale Wähler zu präsentieren. Die Partei steckt nun in einer tiefen Identitätskrise: Soll sie sich wieder stärker als wirtschaftsfreundliche Reformkraft positionieren oder ein breiteres gesellschaftsliberales Profil entwickeln? Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, ob die FDP sich erholt oder weiter in der Bedeutungslosigkeit verschwindet. Die Rücktritte von Christian Lindner und Marco Buschmann sagen einiges aus. Wer soll jetzt noch das Ruder rumreißen?

Zukunft des BSW

Ein spannender Aspekt nach der Wahl ist das Schicksal des Bündnis Sahra Wagenknecht . Nach einem überraschend starken Wahlergebnis bei den Ostwahlen wird nun spekuliert, ob das Bündnis als stabile politische Kraft bestehen bleibt oder ob es aufgrund interner Widersprüche bald zerfallen wird. Die kommenden Monate könnten zeigen, ob das BSW sich langfristig als Partei etabliert oder ob es nur ein kurzfristiges Phänomen bleibt.

Vorzeichen der Wahl 2029

Es lag auch schon immer der Schatten über der Wahl, wenn diese keine gute Regierung hervorbringt, das Ergebnis der Wahl 2029 schon vorherbestimmt ist. Das gibt nicht nur die Trendanalyse her, die Mitte ist kleiner geworden, die Ränder, und da vor allem der rechte Rand, sind grösser geworden. Das zeigt auch die Altersanalyse.

Bei den über 60-Jährigen dominieren die etablierten Parteien der Mitte. Die Union erreichte 38 %, die SPD 23 %. Randparteien wie Die Linke und die AfD spielten in dieser Altersgruppe eine geringere Rolle.

Schaut man auf die Jugend, ergibt sich ein anderes Bild: bei den 18- bis 24-Jährigen erhielt die Linke 25 % der Stimmen, gefolgt von der AfD mit 21 %. Die traditionellen Mitte-Parteien schnitten deutlich schlechter ab; die Union kam auf 13 %, die SPD auf 12 % und die Grünen auf 10 %.

Und auch wenn man auf die größere Kohorte u50 schaut, ist der Trend weg von der Mitte deutlich.

Folgen für die politische Landschaft

Das Schrumpfen der politischen Mitte wird langfristige Auswirkungen auf die Stabilität des politischen Systems haben. Das hat der zweite exogene Schock, der aber nach der Wahl stattfand, gezeigt. Die Demütigung von Selenskyi in Washington hat direkte Auswirkungen auf Europa und damit auch auf Deutschland.

Zum einen gibt es nur eine einzige 2-Parteienkoaltion in der Mitte. SPD und die Unionsparteien. Diese werden aber im neuen Bundestag nicht die benötigten Mehrheiten selbst erzeugen können, weswegen sie noch in der alten Bundestagsbesetzung versuchen umzusetzen, was vorher noch ein NoGo bei der Union war. Denn im nächsten Bundestag wäre ein Sondervermögen für die Verteidigung unmöglich. Und hier muss man auch sagen, die Linke hat vieles im Wahlkampf richtig gemacht. Glaubwürdig antifaschistische. Konzentration auf die Themen sozialer Ausgleich mit authentischem Personal. Aber das Verhältnis der Linken zu den Themen Militär und Krieg bleibt mehr als fragwürdig. Wissend fordert nun die SPD eine Reform der Schuldenbremse ihrerseits. Für die Infrastukturinvestitionen, welche die Industrie schon länger fordert. Insgesamt redet man da von 900 Milliarden Euro insgesamt. Lächerlich klein wirken da die 100 Milliarden der Zeitenwende.

Und so startet Merz mit dem Bruch eines zentralen Wahlversprechens. Kein guter Start.

Die grüne Jugend schlägt zurück

Schon fast ein halbes Jahr ist es nun her, dass der Vorstand der grünen Jugend in der gleichen Woche wie der Vorstand der Mutterpartei zurücktrat und damit ein Beben auslöste. Als Folge auf die Ostwahlen, wo man aus 2 Parlamenten flog.. Zu diesem Zeitpunkt waren die Grünen definitiv am Boden.

Doch jedem Abschied wohnt ein Zauber inne und so wurde kurz danach der Gastbeitrag von Cem Özdemir in der FAZ veröffentlicht.

Aus den Grünen wurde auf dem Parteitag #TeamHabeck. Es gab eine neue Geschlossenheit. Es gab Aufbruchsstimmung. Dann das absehbare Ampelaus. Auch dieses schien und scheint den Grünen gar nicht geschadet zu haben. Auch wegen dem zeitnahen Wahlsieg von Donald Trump und dem Schock danach, vermeldete die Partei Rekordzahlen bei Neumitgliedern.

In Rekordzeit wurde die Kampagne der Küchentischgespräche gestartet, mit der Message, „Schluss mit: wir erklären euch die Welt, Start mit: wir hören zu“ Habeck kehrte zu dem sozialen Netzwerken, die er einst mit einigem TamTam verlassen hatte zurück. In einer prophetenhaften Voraussicht steht auf auf den Plakaten „Ein Mann, ein Wort“.

Und alles danach geschah, schien einfach nur die grüne Geschlossenheit weiter zu bestärken. Der ergebnislose AKW-Ausstieg Untersuchungsausschuss. Die Diskussion darum, dass die großen Sender kein Kanzler-Triell wie bei den letzten Wahlen. Selbst die Diskussion, ob man „Tante Giselas“ ETF-Altersvorsorge eventuell dann doch besteuern möchte, machte den Grünen nix aus.

Dann kam Aschaffenburg und die Doppelmoral einer Katharina Schulze, die zuvor migrationsfreundlich war und im Zuge der neu aufkommenden Migrationsdebatte ihr Fähnchen um 180 Grad drehte. Und Friedrich Merz der mit seinem Zustrombegrenzungsgesetz die Brandmauer abriss. Ein Mann- Ein Wort. Prophetisch nannte ich das ein paar Zeilen vorher, passend zum wortbrüchigen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien.

Aber auch zu Habeck. Denn mit der Forderung von Merz, ein demokratisches Gegenangebot zu liefern und einem 10 Punkte-Programm, was teils schnell wieder von Social Media gelöscht wurde, da wurde ein Schnellschuss geliefert, der dann zum allerersten Mal die Grünen wanken ließ.

Jette Nietzard

Das ist eine Hälfte des neues Vorstandes der grünen Jugend. Mit genug Strahlkraft und Skandalen, dass wohl kaum einer die andere Hälfte überhaupt namentlich nennen könnte. Der heißt übrigens Jakob Blasel. Habt ihr am Ende dieses Satzes schon wieder vergessen.

Man kann und muss das schon fast chronologisch angehen, so viele Sachen sind passiert.

November 2024, Ampel Aus. In einem Video, was den aktuellen Trends folgt, ist etwas nackte Haut zu sehen. „Jette Nietzard zieht sich aus“ titelten die Gazetten. Das Jette auch noch Poledance als Sport ausübt und Bikinifotos auf diversen sozialen Medien postet, führt in wohldosierten Dosen zu Mini-Skandälchen. Der Kampf gegen die „toxische Männlichkeit“ ist mehr als eröffnet.

Neujahr 2025, Das Meisterstück. Da müssen wir nicht drüber reden, das triggert, das ist auch weit drüber. Hat sie dann auch irgendwann gelöscht. Aber: die Popularität steigt.

9.Januar 2025, Diskussion über Arbeitspflicht bei Bürgergeldempfängern nach dem Vorbild von Schwerin.

14. Januar 2025, ein Gerichtsprozess, ob die Kosten für Polizeieinsätze bei Fußballspielen von den Klubs getragen werden sollen. Das legt man sich mit dem Volkssport der Deutschen an.

22. Januar 2025 die Causa Gelbhaar. Da wurde ein Kandidat in Berlin vor dem Habeck-Vertrauten gewählt. Erfundene Vorwürfe, die vom RBB übernommen wurden.

 Die Unschuldsvermutung gelte nur vor Gericht, aber nicht in einer Partei.

05. Februar 2025, die Verknüpfung der Fäden.

Zurück zu Habeck. Es gibt dieses „Angebot der demokratischen Mitte“ von Habeck, den 10 Punkte Plan, dieser wird von der grünen Jugend abgelehnt

Es klingt zwar absurd, aber ich kann die grüne Jugend in dem Moment verstehen. Der gottgegebene Fakt, dass es einen Bundeskanzler Merz geben wird, gerät mächtig ins Wanken. Seit dem Ampelaus verlor die Union in Umfragen bis zu 5%. Ich hatte ja schon mal bei den Ostwahlen analysiert, dass es auch darum geht, die Stimmer der Partei zu geben, die am wahrscheinlichsten und glaubhaftesten die Faschisten verhindern kann. Das ist im Zweifel auf den ersten Blick die demokratische Partei, die in den Umfragen führend ist. Nach dem parteitaktischen Drahtseilakt geht dieses Vertrauen in der Union verloren. Da macht es nicht viel Sinn, sich wie Cem zu recken und zu strecken. Da ist Kante zeigen angesagt. So wie die Linke um Heidi Reichinek. Die ist mit klarer Kante kurz davor, mehr Stimmen bei der nächsten Wahl zu hohlen, als beim letzten Mal, damals noch mit Sahra Wagenknecht.